Mittwoch, 28. März 2012

Adolf Hitler und das Mikrofon

Lasst uns sachlich bleiben, es gab schon Fernsehen, sogar öffentliches, in Berlin, aber schwarz-weiß, und so gut wie niemandem zugänglich, im Jahr 1936. Auch Radio, Film, Fotografie, Telefon und Zeitungen. Was es nicht gab, waren Internet, Farbfernsehen, Transistoren, die den Empfang auf der Toilette oder beim Joggen möglich machten, und natürlich Mobilfone, mit denen man jederzeit jeden über alles anquatschen kann.


                                                   Mahnmal in Nürnberg


Der arme Adolf Hitler: er musste in Mikrofone schreien ("Mein Volk, patatipatata.."). Damit wirkte er auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände, wie der große Erlöser, der seine Botschaft in klaren Worten unverständlich machte. Nur wer wollte, konnte den Führer verstehen. Und das waren auf dem ersten nationalsozialistischen Reichsparteitag, 1934, sehr viele. Frauen mit verklärtem Blick. Männer, zu allem entschlossen. Kinder als zukunftsweisende Elite, die Mädchen mit reizenden Zöpfchen, fast alle blond, die Jungs mit kurzem männlichem Haarschnitt, die Körpersprache deutete Testosteron an, wo es keines gab.

Ich sah neulich den Film von Leni Riefenstahl wieder, "Der Wille zur Macht", ein Doku, würde man heute sagen, im Auftrag des Führers. Da Leni eine begabte Filmemacherin war, hat sie alles in diese Arbeit gesteckt: Zwischenschnitte mit Hermann Göring, Rudolf Hess, Göbbels ... und viele unbekannte Gesichter, die Begeisterung zeigten. Immer wieder geballte Männlichkeit, die Leni so bewunderte, und den Führer selbst, Kinder tätschelnd, aufrecht im Wagen stehend, hinter dem Mikro posierend. Es fällt auf, dass der deutsche Gruß im wesentlichen in drei Ausführungen praktiziert wurde. Der Führer stand im Wagen, sein rechter Arm schwenkte scharf nach rechts aus. Der Arm galt denen, die den Straßenrand säumten. Der Führer befand sich frontal vor der Masse: sein rechter Arm wippte steil ausgestreckt nach oben. Der Führer saß und gab sich entspannt: der Arm beugte sich, die Hand zeigte nach hinten oben, als hielte sie eine wertvolle Frucht (in der Karikatur wurde daraus das imaginäre Anheben eines Frauenbusens). Die Zeit war auf Pomp eingestellt.

Hätte der Führer kein Mikro gehabt, wäre er nach seiner ersten langen Rede heiser gewesen. Einige wären eingeschlafen, andere hätten lauter (als er) brüllen können, etwaige Protestler. Hätte er sein Buch "Mein Kampf" nicht geschrieben, niemand hätte es gemerkt. Bei meinen Eltern fand ich dieses Buch, als der "Feind" schon im Lande war. Es wurde ungelesen weggeworfen, und ich musste mir das einzig vorhandene Exemplar in der Unibibliothek in Freiburg holen, um es Seite für Seite dort lesen zu können. "Mein Krampf" hätte ich dieses Buch genannt. Emotionale Enthüllungen eines Unreifen. Unnötiges Charisma. Ohne Buch ging es halt damals schon nicht. Fehlerhafter, bedeutungsloser Unsinn, dieses Buch.

Adererseits, hat Charlie Chaplin im Großen Diktator diesen Charismatiker so getreu dargestellt, dass das deutsche Volk sich vor Lachen den Bauch gehalten hätte, statt ehrfurchtsvoll zu den Urnen zu gehen. Zum Reichskanzler haben sie ihn gemacht. Wer Leni Riefenstahls Film gesehen hat, versteht auch, dass die gezeigten Nazigrößen 1934 noch keine Kriegsverbrecher waren. Man hätte sie vielleicht noch ausbremsen können, aber der Mut fehlte. Dann ging es geradewegs in den Abgrund. Wieviele Millionen sind Opfer dieses Wahnsinns geworden? Eine Partei, die auch nur halbwegs diese Nazivergangenheit nostalgisch wiederbeleben möchte, muss von der Demokratie ausgeschlossen, d.h. verboten werden.

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