Freitag, 6. Januar 2012

Der Knopf



Früher war es doch so: wenn du einen Knopf verloren hast, sei es als Knabe, oder, dann, später, als Erwachsener, war immer ein guter Geist zur Hand, der in nullkommanichts einen geeigneten (Knopf) aus der berühmten Knopfschachtel fischte, und diesen hurtig da annähte, wo er fehlte. Das konnte eine Mama sein, oder eine Oma. Wer eben gerade zur Hand war. Dann, mit der Massenproduktion von Textilien in Thailand, Indonesien oder China, kam das gefährliche Abrutschen in die Knopflosigkeit: Kaum einer dieser Dinger, die der Befestigung dienten, hielt länger als es brauchte, um einen Hemd- oder Hosenknopf zusammen mit der Ware über den Ladentisch zu schieben. "Schlecht angenäht", sagte dann meine Oma und ging an die Arbeit.

Mit der weiblichen Emanzipation ist vieles schief gelaufen. Zum Beispiel, ist es mir nicht gelungen, im Leben eine Partnerin zu finden, die das Annähen von Knöpfen mit jener Mühelosigkeit zu beherrschen scheint, dass man als Mann auf sein schlechtes Gewissen verzichten kann. Oder liegt es an mir? Wenn es um Nagel und Hammer geht, um ein Bild aufzuhängen, ist meine Süße so was von hilflos, dass mein Kavaliersempfinden klaglos an die Sache geht, und im Nu hängt das Bild (schief). Ansonsten bin ich nicht der Repariermirmaldasautotyp, der dem weiblichen Gegenüber hochmütig Lehren erteilen könnte. Dennoch, eine gewisse Trauer bleibt: das Annähen von Knöpfen ist eine Angelegenheit, vor der ich monatelang zurückschrecke, bevor etwas passiert. Wir Männer sind dafür nicht geschaffen.

Da es in jedem Städtchen Änderungsschneider(innen) gibt, sehr oft, geschickte Türkinnen, die sich ihr Geschäft selbst aufgebaut haben, kam mir der Gedanke, es damit zu versuchen. Wahrscheinlich hätte ich jedoch eine ganze Branche in die Krise gestürzt, wenn mich mein oft allzu kranker Menschenverstand nicht davor gewarnt hätte. Also saß ich mit folgendem Problem herum, bis ich zur Nadel griff: Unter all meinen Hosen - ich weiß wirklich nicht, wie viele davon im Schrank hängen - gibt es die eine, die ich am liebsten trage: ein graues Etwas, das gut zu meinen schwarzen Schuhen und dem schwarzen Pulli passt. Als ich bemerkte, dass sich der Knopf in der Hüftgegend gelöst hatte, fand ich diesen am Boden liegen und hob ihn auf. Die Hose wurde fürderhin durch einen Gürtel zusammen- und hochgehalten. Ein höchst unbefriedigender Umstand. Meine Angetraute, die natürlich in der Lage wäre, mich aus einem brennenden Flugzeug zu retten, hatte dazu nichts zu sagen. In solchen Situationen ist und bleibt der Mann allein.

Ich, mit dem Mut der Entscheidung, schließlich ist die Zeit der guten Vorsätze gerade erst wieder angebrochen, begebe mich ins Bad. In meinem Kulturbeutel befindet sich ein kleines Briefchen, aus irgendeinem Hotel geklaut, das eine Sammlung von Fäden in verschiedenen Farben und einige Nadeln enthält. Der Knopf war verschwunden, weil man sich nicht daran erinnert, wo man ihn  hingelegt hat. Dann, das Unglaubliche: der Knopf, genau zur Hose passend, lag auf einem Regal, das ohnehin für bedeutunglosen Krimskrams reserviert ist. Mich an Oma erinnernd, fädele ich ein. Der Faden war zu kurz, aber das machte nichts. Es gelang mir, diesen Knopf innerhalb einer vertretbaren Zeit anzunähen. Stolz verwies ich darauf, als mein weiblicher Emanzling am Abend nach Hause kam. Ein gönnerhaftes Grinsen überzog ihr Gesicht. Wer hat jetzt hier gewonnen? Der männliche Pioniergeist? Die Verzweiflung eines Untertanen, dem die weiblichen Hilfstruppen verloren gingen, oder einfach der gesunde Menschenverstand, der mir immer schon sagte: Du kannst alles lernen, außer, vielleicht, einen Jumbojet landen oder ein philharmonisches Orchester dirigieren. Der Knopf ist angenäht.

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