Mittwoch, 13. September 2017

Geschmacklosigkeiten über die man streiten kann.

Es ist schon wieder 5 Jahre her. Cath und ich sitzen mit englischen Freunden in einem Restaurant im Elsaß, das wir seither natürlich nicht mehr betreten haben. Wir spechen Englisch, sind jedoch auch des Französischen mächtig. Der Kellner bringt eine Flasche Weißwein und schenkt mir zum Versuchen ein. Ich probiere und sage, nicht unfreundlich: der Wein könnte etwas kühler sein. Der Rotzlöffel von Kellner antwortet: C'est une question de gout (das ist ein Frage des Geschmacks). Dafür, dass man dieses warme Zeug auch noch bezahlen muss, war diese Bemerkung eher frech. Wegen den Gästen verzichtete ich auf ein Donnerwetter.


Wo bei mir heutzutage auch eine Augenbraue hochgeht, ist im Supermarkt. Wenn man in Yorkshire/Nordengland lebt, hat man keine Chance, eine gute Leberwurst zu finden. Allerdings, was sich dort Brussels Paté nennt, schmeckt recht gut, ist aber keine Leberwurst. Ich bin praktisch mit Pfälzer Leberwurst groß geworden. Schon mein Papa strahlte bei ihrem Anblick. Ganze Generationen haben in Deutschland Leberwursterfahrung gesammelt. Mindestens 20 Sorten waren auf dem Markt zu finden. Alle lecker.

Hausmacher Leberwurst: haha! 
Der an Leberwurst interessierte Engländer bekommt als Langenscheidt-Übersetzung: liver sausage, liverwurst oder leberwurst angeboten. Das ist natürlich etwas ärmlich, zumal man im Land so gut wie keine "echte" Leberwurst findet. Also befinde ich mich mit Cath gerade für 2 Wochen im Land der Würste. Um unser geliebtes Haus herum stehen Bäume, Büsche und Rebstöcke. In den Läden wird Leberwurst angeboten. Ich greife zu. Erster Kauf: Landleberwurst, leicht grau, grob, appetitlich und geschmacklos. Zweiter Kauf, anderer Laden: eingedoste, feine Leberwurst: Leicht zu streichen, rosa in der Farbe, etwas besser, aber unendlich weit von meinen Leberwurstträumen von damals entfernt.
Wenn ich mich erinnere, gab es früher in der Leberwursthochburg Deutschland keine Leberwurst, die nicht schmeckte. Und immer war ein zarter Hauch von Majoran damit verbunden.

Question de gout! 
Jetzt muss ich mich fragen, ob meine Geschmacksnerven mir einen Streich spielen. Cath sagt nein, denn beim Wein und so, scheinen diese noch intakt. Bei der 3. Leberwurst erlange ich Gewissheit: der Zahn der Zeit hat die deutsche Leberwurst für immer (?) zernagt. Woran kann es liegen? Haben die Gesundheitsgurus wieder mal zugeschlagen? Leberwurst ist zu fett, höre ich sie sagen. Chemische Zusätze, zu Ungunsten des Geschmacks? An irgend etwas muss es ja liegen. Beim Brot, wo Deutschland auch mal so etwas wie Weltmeister war, stellen wir seit Jahren den gleichen Niedergang fest: 1000 Sorten in den Supermärkten können nicht darüber hinweg täuschen, dass Brot eine meist geschmacklose Massenware geworden ist.

Sieht gut aus, aber uninteressant 
Damit meine Augenbraue nicht zu sehr leiden muss, verzichte ich hier auf die Bemühung, etwas nachzuweisen. Es sind Dinge des Geschmacks, Erfahrungen, die jeder irgendwann einmal macht. Man kann darüber nicht streiten, sonst müsste man eine bestimmte Partei eine Nazipartei und ihre Anhänger geschmacklose Hetzer nennen. Aber, vielleicht hat sich auch hier der Geschmack unmerklich verändert. Bei der deutschen Leberwurst ganz sicher*.

Kleiner Nachtrag: Heute finde ich im Supimarkti eine Leberwurst, die tatsächlich essbar ist. Ich gebe also meine Hoffnung wieder mal nicht auf.


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