Sonntag, 13. August 2017

Der Erbsenzähler bin ich.

Als Kind ging ich gerne in unseren Garten, ein gemüsesüchtiges Schmuckstück, das zwischen Mai und Oktober allerlei Essbares hervorbrachte, beginnend mit den kleinen feuerroten Radieschen, die allerdings zuerst gewaschen werden mussten, wenn man sie knackfrisch aus dem Beet geerntet essen wollte. Dann bot der Mai auch noch den frischen Kopfsalat, und den Lattich, der mir besonders schmeckte, wenn Mami Radieschen drunter mischte. Das war jedoch erst der Anfang der Gartensaison, die sich bis zur Rettichernte und die Reife der Stangenbohnen hinzog.


Nicht zu vergessen, die Tomaten, die, wenn rot, an der Lederhose abgerieben, sofort vom Stock in den Mund wanderten. Das Aroma einer im Badischen gereiften Tomate, die Betonung liegt auf "gereift" kann eigentlich nur in noch südlicheren Zonen leicht übertroffen werden. Die moderne Lebensmittelverteilung sorgt jedoch dafür, dass es kaum noch reife Tomaten zu kaufen gibt. Eine Tomate um die Weihnachtszeit kann eigentlich nur als eine Geschmacksverirrung bezeichnet werden. Manchmal gelingt es, neue Namen zu finden um die Scham des Käufers zu überdecken: Cherry-Tomaten, Datteltomaten, ja, sogar mit Geschmack. Der historisch gewachsene holländische Wasserbeutel gehört der Vergangenheit an.


Gerne kehre ich zur Erbse zurück. Sie hat meine Kindheit verschönt. Hier in England scheint die Erbse die Königin aller Gartengemüsen zu sein. Bei Fish&Chips, das es in jedem Gasthaus zu essen gibt, feiert die Erbse wahre Triumphe. Kein Fish&Chips ohne die eine der beiden unerlässlichen Varianten: Garden peas, die britische Kullererbse, oder Mushy peas, die zu Brei verarbeitete Erbse, die im Geschmack leichte Abweichungen von der Norm aufweisen kann. Es ist unendlich viel einfacher, die Englische Königin zu einem Paso Doble zu bewegen, als irgendwo Fish&Chips ohne Erbsen zu bekommen. Der Stolz der Nation besteht darin, nur englische Erbsen auf den Tisch zu bringen und den Import aus Europa zu ignorieren. Nur die am Freitag oft belagerten Fish&Chips Läden geben auf besonderen Wunsch den Fisch ohne Erbsen ab.


Es gibt Zufälle, mit denen man im Leben nicht rechnet: Da finde ich im Angebot von Sainsbury's einen 500Gramm-Beutel mit frischen Erbsenschoten. Eingedenk meiner kindlichen Gartenfreuden von einst, kaufe ich die Erbsen und studiere die sorgenvollen Hinweise für den Verbraucher. Der Informationen sind gar viele. Es handelt sich um Gartenerbsen des englischen Westens. Am besten zu genießen vor dem 14. August. Das ist Morgen. Ich könnte wetten, dass dieses Produkt noch 2 Wochen seine volle Frische behält. Warum tun die das? Zuhause, heißt es da, kühlstellen und vor dem Verzehr waschen. Ich habe noch nie gehört, dass ausgepulte Erbsen der Waschung bedürfen. Vor dem Kochen auspulen und gründlich waschen, Wasser zum Kochen bringen, Erbsen hinzufügen, 2einhalb Minuten kochen, sehen ob die Erbsn zart sind. Ich muss abbrechen, sonst verliere ich meine Freude am Erbsenessen.


Kommen wir zum Punkt: Ich habe meine Art, Erbsen Schote für Schote an der Nahtstelle aufzutrennen, die Erbsen geschickt in die rechte Hand kullern zu lassen und sie mit Schwung im Mund zu verstauen. Dabei interessiert mich neben der Erbse an sich, wieviele dieser grünen Gemüsebällchen jeweils in der Schote stecken. Meine Erfahrung von früher: zwischen sechs und neun. Im elterlichen Garten gab es ab und an eine Schote mit 10 Erbsen. Hier in Yorkshire keine einzige. Klimawandel? Weniger fruchtbarer englischer Boden? Täuschung der Erinnerung? Ich rate herum und frage mich, ob ich der Prototyp des Erbsenzählers bin. Von irgendwoher muss dieses Schimpfwort doch kommen. Oder, hat es diesen Beruf einmal gegeben? Ich bedaure sehr, aber, wenn ich Erbsen esse, die ich selbst auspule, muss ich wissen, wieviele es sind.








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