Samstag, 22. Juli 2017

Yorkshire Tagebuch - 21 - Brussels Pâté.

Eine verfeinerte Leberwurstkrem nennt sich hier in England Pâté, Brussels Pâté. Man besteht auf diesen seltsamen französischen Akzenten, accent aigu und accent circonflexe, weil das echter aussieht. Der circonflexe (^) ist das kleine Dächlein auf dem a, das eigentlich unenglisch ist. Der Pâté schmeckt jedoch und eröffnet gewöhnlich mein Frühstück, das dann mit drei verschiedenen Konfitüren fortgesetzt wird. Nur so komme ich unbeschädigt durch den Tag.

Brussels Pâté zum Frühstück 
Vor allem, wenn das Wetter anhält: 2 Stunden Sonne, 20 Stunden Wind, etwas Regen and sunny spells, as they call it in the weather forecast. Dazu ein gräulicher Himmel der alles verspricht nur kein kontinentaes Hoch. Mich stört es nicht. Das Brussels Pâté hat übrigens gut geschmeckt. Vielleicht ist das der Grund, warum Nachbars Katze Arthur nach vielen Wochen der Sommerfrische (aber wo?) plötzlich wieder vor unserer Tür stand. Das allgemeine freudige Hallooo war nicht zu überhören.

Ein alter Bekannter 
Der allwissende "Guardian" denkt heute über die Zerstörung unserer Zeit, bzw. unseres Zeitbegriffes nach. Der Übeltäter ist das Internet, vor allem das E-mail. Klar, dass ich mich an das Hereinbrechen dieses "sozialen" Mediums erinnere. Als das aufkam, erhielt ich über 80 pro Tag. Der Anspruch, jedes Mail zu beantworten, machte aus der verfügbaren Zeit Hackbrei. Das Ende unserer Tage schien gekommen. Inzwischen gehen viele nicht mehr ans Gerät. E-mails werden nur noch durchgelesen, nicht mehr beantwortet. Doch der Druck der Zeit ist irgendwie geblieben. Es muss inzwischen jemand geben (nein, das kann nicht Gott sein), der Dir Deine Zeit verwaltet, vielleicht sogar zerstückelt. Die entsprechenden Apparaturen kennen wir. Wir fingern ständig daran herum.


Gerade heute fühle ich mich wie Tagträumen. Herumsitzen und Musikhören. Statt dessen haben wir einen Fensterspezialisten im Haus, der kleine und größere Fenster begutachtet, Maß nimmt, Preise errechnet und mögliche Einbautermine nennt. Cath, Richard, Johnnie und Claire kümmern sich darum. Jetzt sind alle gegangen, um einen Bodenbelag auszusuchen, der einen altersbedingten Teppich ersetzen soll.

Fenstererneuerung 
Manchmal ist der Tag einfach verplant. Da hilft kein Zeitmanagement. Stunden vergehen, auch das Leben schleicht unbemerkt weiter, und das Träumen von besseren Tagen wird verschoben. Eine Linda Wenzel aus der Nähe von Dresden soll das vermisste Mädchen sein, von dem man annimmt, dass ein arabischer ISIS-Genosse es überredet haben soll, sich nach dem Irak aufzumachen. Man will sie zuletzt in Istanbul gesehen haben. Wie konfus die Welt doch Menschen machen kann.


Die Sonne ist wieder da. Ich versuche, meine Träumerei zu unterdrücken und ein wenig ins Yorkshire Moor zu starren, wo Schafe und Kühe grasen, ohne sich über das Leben die Köpfe zu zerbrechen. Politik interessiert mich heute nicht. Also: Merkel, May, Erdogan, Trump, sagt heute nichts was mich aus der Ruhe bringen könnte. Keine E-mails, Anrufe, Facebook-Eintragungen, Twitterkram oder sonstige elektronische Zumutungen.






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen