Samstag, 6. August 2016

Das Schneiden des Haares. Ruhig sitzen bitte!

Jeder Beruf hat seine schicke und seine vulgäre Seite. Ich fühlte mich als Kind oft gemaßregelt, wenn ich beim Haarschneider war. Oder der Haarschneider bei meinem Opa. Er hieß Landmesser, war ein Altherrenfrisör, und wenn ich das Pech hatte, bei den Großeltern aufzutauchen, wenn Herr Landmesser sein Hanwerk verrichtete, bekam ich einen Haarschnitt verpasst, ob ich wollte oder nicht. Dabei behandelte er mich wie einen Kaufhausdieb, schaute auf mich herab und ließ mich seine Überlegenheit unangenehm spüren. Zu Opa war er nett.


Keine Ahnung was das ist. 
Ich vermute, dass meine Abneigung gegen das Haareschneiden damit zu tun hat. Mein ganzes haariges Leben lang drückte ich mich vor dem Gang zum Frisör. An der Universität in Heidelberg gab es einen, der auf Studenten spezialisiert war. Für 80 Pfennige schnitt er uns die Haare. Wenn man in den Spiegel schaute, während er schnippelte, konnte man sehen, wie er mit spitzer Schere von steil oben auf die Kopfhaut zuraste als wäre er wütend.


Frisörbetrieb in Yorkshire 
Langsam besserte sich mein Schicksal. In Ozanköy, einem Dörfchen im Norden Zyperns, unterhalb von Bellapais, konnte ich mich mit einem Haarkünstler anfreunden, der mich endlich dazu brachte, mich auf den Haarschnitt sogar ein wenig zu freuen. Seine Praxis stand direkt an der Straße. Die Tür zu seinem Laden war immer offen. Der Fernseher lief immer. Er begrüßte mich wie einen alten Freund. Seine Bewegungen zeigten geradezu Begeisterung ob des neuen Gastes. Er untersuchte meinen Kopf mit den viel zu langen Haaren. Wie ein kostbares Gefäß. Er war es, der entdeckte, dass ich am Kopf fünf verschiedene Wirbel habe, mit denen man als Frisör zurecht kommen muss. Die Unterhaltung war auf Türkisch, das ich mit einem gelegentlichem "evet" oder "tamam" meinerseits etwas aufbesserte.


Bei Ozanköy. 
Der finale Akt war die Ausrottung meiner Härchen an den Ohren. Mit einer brennenden Kerze flämmte er diese ab. Es tat überhaupt nicht weh. Nach Jahren der Haarbetreuung durch Mustafa endete diese Periode durch Wegzug aus Nordzypern. Lange noch trauerte ich diesem typisch orientalischen Figarofestival nach.


Zuerst herrscht Angst. 
Ich muss Jahre überspringen, wo haarmäßig nicht viel passierte, denn mein Haar wurde durch Cath liebevoll gekürzt. Zwar gut, aber für sie immer etwas mühsam, zumal zunächst die fünf Wirbel zu finden waren. Der Schnitt war fast professionell, ich war zufrieden. Jetzt tat sich eine neue Ära auf.


Haworth in Yorkshire hat auch Frisöre. Wir wohnen hier und Cath möchte die Verantwortung für meine Wirbel endgültig weitergeben. Ich lande also in einem  Frisörladen in Haworth mit zwei schnittfesten Jünglingen, zu allen Taten bereit. Es sieht hier etwas verwirrend aus. Doch ich liebe die Einfachheit ihres Tuns. Der eine findet offensichtlich sofort meine Wirbel, die auf English "crown" heißen. Er schneidet sehr sorgfältig. Meine anfängliche Furcht legt sich schnell. Der Laden ist zwar herzlich unprätenziös, doch man fasst sofort Vertauen, wenn man mit Respekt und frisörlicher  Neugier behandelt wird. Kein Hauch von Schischi oder Schisselaweng, sondern ein ehrliches "Ich schneide und Du legst dann deine 8 Pfund hin, wenn alles in Ordnung ist". Das ist es. Cath (die mich sicherheitshalber begleitet hatte) und ich verließen zufrieden die Wirkstätte der Haarkünstler. Ich glaube, wir haben zwei neue Freunde gefunden, und meine Haarprobleme sind vorerst gelöst.

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