Wir denken nicht daran, unsere Kreuzfahrt von Southampton nach Norwegen und zurück so schnell enden zu lassen. Nichts ist zu Ende. Wir schwelgen in dem Gefühl, noch ewig Zeit zu haben. Noch sehen wir die graue See. Noch sagen uns die Stimmen auf den Korridoren, dass wir an Bord sind. Nach dem Frühstück werden wir uns aufmachen, an Land zu gehen. Das Gamle Stavanger, die Vickinger Alt-Stadt, wird uns aufnehmen. Eine letzte Gala-Esserei erwartet uns am Abend. Es ist ein indisches Restaurant, das Sindhu, an Bord unserer HMS Britannia. Es wird von uns Abendkleid und Smoking erwartet. Wir können nur eine Stufe drunter anbieten. Auch das geht. Und kostet seinen Preis.
Von der Außenwelt haben wir uns bewusst abgenabelt: kein Fernsehen und kein Radio. Was „draußen“ geschieht, ist uns herzlich egal. Morgen beginnt die Überfahrt nach England. Früh genug, um von der neuen Premierministerin Theresa May zu hören, von Angela Merkel und Donald Trump, dem amerikanischen Drohmännchen. Diese Dinge können sich so weit von der Wirklichkeit entfernen, dass sie keine Bedeutung mehr haben. Die Überfahrt, hinauf bis zum Ärmelkanal, wird einen Tag und eine Nacht dauern. Dann werden wir wieder der Wirklichkeit ins Auge schauen.
Die alten Holzhäuser von Stavanger sind wirklich schön. Auch die moderne Architektur der Stadt sticht ins Auge. Als Kind schon sah ich am Radio meiner Eltern in Deutschland das magische Wort „Stavanger", neben Lahti (Finnland), Leningrad, dem heutigen Sankt Petersburg und Beromünster. Zu diesen Erinnerungen wird bald auch die Kreuzfahrt nach Norwegen zählen. Das Leben ist ohnehin Erinnerung an die Zukunft, oder die Zukunft der Erinnerung. Innehalten, das altmodische Wort für nachdenkendes Erinnern, ist das Gebot des Augenblicks. Ein Genuss, außerhalb der Genüsse, die eine Kreuzfahrt bietet. Wie kann man Momente festhalten? Wohl nur durch die Erinnerung.
Oder durch die Vergangenheit, zum Beispiel die der Vickinger. Ein einzigartiges Museum zeigt die Geschichte dieses umtriebigen Volkes, das ganz Europa und Teile Amerikas erforscht, besiedelt und ausgeraubt hat. Die Vickinger waren erfahrene Seeleute und erprobte Kämpfer, die ihren Frauen und Kindern allerhand Schmuck nach Hause brachten. Im 9. Jahrhundert hat Harald, der Blonde (?) seine begehrte Prinzessin geheiratet und mit ihr über 20 Kinder gezeugt. Die halfen ihm, Norwegen zu einem einzigen Reich zusammenzufügen. Neben dem Vickingerschiff ist das Schwert das Symbol dieses unternehmungslustigen Volkes.
Eine Kirche aus dem Mittelalter, nach der Vickingerzeit erbaut, steht noch im Zentrum von Stavanger, mit romanischen und gotischen Fenstern. Und einer bemerkenswerten Kanzel aus späterer Zeit. Die drei Schwerter haben wir kurz davor besichtigt. Drohend ragen sie aus dem Felsen. Ein Symbol für die Kraft der Vickinger. In ihrem geographischen Umfeld werden heute Erdöl und Erdgas gefördert. Auch aus dem Meer. Das hat das Land wohlhabend und teuer gemacht. Kein Wunder, dass die Preise in Norwegen gesalzen sind.
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