Freitag, 28. November 2014

Die Selbstverzwergung eines Landes

Der Spiegel nutzte diesen Begriff, um die gegenwärtige Lage der SPD zu umschreiben. Jeder, dessen Selbstbewusstsein durch irgend einen triftigen Grund schwer gelitten hat, beschreitet dann den Weg der Selbstverzwergung. Westdeutschland hat nicht nur durch die Teilung, sondern auch als "legitimer" Nachfolger des Deutschen Reichs sich jahrelang systematisch klein gemacht. Zurecht. Israel, Frankreich, die USA, die Sowjetunion, sie alle haben mitgeholfen, diesen einstigen Gegner trotz seiner wirtschaftlichen Erstarkung und der wachsenden Wiedergewinnung von Ansehen, in eine etwas künstliche Zwergenmentalität abgleiten zu lassen. Das hat allen gut gepasst und dem verzwergten Kleindeutschland eine bescheidene Nische im Konzert der Demokratien beschert.





Heute ist die Lage jedoch eine andere. Wiedervereint, mit einer klaren Tendenz zu demokratischer und wirtschaftlicher Stabilität, hat Deutschland endlich wieder den Rang einer normalen Mittelmacht eingenommen. Diese wird von einer Frau geführt, die aus der ehemals kommunistischen Welt stammt und nicht auf den Kopf gefallen ist. Aber, sie ist Teil der konservativen Bemühungen im Lande, obwohl sie sozialistischen Neigungen nicht feindlich gegenüber steht. Man sieht, wie vorsichtig man an die Sache geht, wenn man die Befindlichkeit (hier passt der Modebegriff endlich mal wieder) dieses Landes umreissen möchte. Ist Deutschland, das vor 25 Jahren den Fall der Berliner Mauer friedvoll überstanden hat, heute ein konservatives Land? Oder suchen wir nach einer Konstellation, die die Gegensätze zwischen Rechts und Links vielleicht aufhebt oder in realistische Tagespolitik umwandeln kann? Oder wird das Land linkslastig regiert? Schwer zu sagen.


Wir sollten mal wieder nach Frankreich schauen: Ein sozialistischer Präsident ohne Gewicht regiert dort ein erzkonservatives Land. Kein Wunder, dass die Rechte unter Fräulein Le Pen scheinbar den Ton angibt, denn alle sind von der Unverfrorenheit dieser Dame etwas benebelt. Soll man sie bekämpfen oder ins eigene Boot holen? Soweit in diesem Land keine Klärung erfolgt ist (Neuwahlen?), kann die Politik in Frankreich nur herumeiern. Frage: sind wir ein Elefant, der eine Maus gebiert, oder eine Maus, die mit einem Elefanten niederkommt? Politik ist schwierig, aber muss sie unmöglich werden?

Jedes Land hat konservative, nationalistische, liberale und linke Züge. Die Frage ist, wohin diese Züge fahren. Dazu sind nur zum Teil die Wahlen da. Den Rest erledigen die politischen Persönlichkeiten, die manchmal schillern und manchmal schweigen. Die SPD, die jetzt einen etwas dynamischeren Führer gebrauchen könnte, sollte sich ein Beispiel an der neugewonnenen Glaubwürdigkeit Deutschlands nehmen. Nicht Selbstverzwergung ist angebracht, sondern realistische Selbsteinschätzung. Es geht schließlich darum, nicht nur die AfD und andere Rechte in die Schranken zu weisen, sowie die alpenrepublikanischen Querschläger aus München abzublocken, sondern auch noch eine zukunftsweisende Politik für den Bürger zu gestalten. Dazu muss das Herz eher links als rechts schlagen. Wenn man die politischen Ausrichtungen im Lande anschaut (Die Linke, die Grünen, die SPD), weiß man, dass die Mehrheit eher links steht. Dieses Potenzial sollte zum Tragen kommen. Der konservative Bürger akzeptiert das, wenn die Politik einleuchtet und er nicht das Gefühl hat, ständig irgendwie benutzt und geschröpft zu werden. Sonst ist ein Aufstand von Zwergen zu befürchten, statt das Herstellen von Nägeln mit Köpfen.




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