Jean war jung verheiratet, hatte eine schnuckelige Frau und noch keine Kinder. Deshalb wohl saß auf dem breiten Ehebett, das er mir stolz zeigte, eine fette, gelb gekleidete Puppe, quasi als Fetisch für die bevorstehende Fruchtbarkeit, denn Joselyne war schwanger. Jean war Fleischer und hatte sein eigenes Geschäft. Irgendwo in einer schläfrigen Provinzstadt in der Normandie. Damals hatte das Essen einen ungeheuren Stellenwert, würde man heute sagen. Die Normandie war ohnehin dafür bekannt, eine raffinierte, wenn auch bäuerliche, Küche zu haben.
Wenn meine Freunde mich zu Jean schickten, um Fleisch einzukaufen, war dies nicht nur ein Vertrauensbeweis, sondern ich konnte gleichzeitig mein Französisch etwas aufbessern. Da es Winter war, hingen die riesigen Schweine- und Rinderhälften außen vor dem Laden, sozusagen als Appetitanreger ersten Grades. Jean nahm sich alle Zeit, mit seinem schärfsten Messer die Fleischfront abzuschreiten und mich auf die besten Stücke hinzuweisen. Dann stach er zu: er schnitt genüsslich die gewünschten Stücke ab und wickelte sie für mich in Pergamentpapier. Der Preis spielte keine Rolle. Es gab die Filetstücke, und es gab das weniger herzhafte Fleisch, das entsprechend zubereitet wurde, um eben auch zu schmecken. Die Zufriedenheit seines Tuns war an Jeans Gesicht leicht abzulesen.
Meine Mama lebte damals noch in Baden. Sie liebte das Kochen und war süchtig auf zufriedene Gesichter. Eine Performance-Künstlerin der Kochkunst. Auch sie kümmerte sich persönlich um den Kauf der Lebensmittel, auch des Fleisches. Die Zubereitung war ein künstlerischer Akt, doch nur das Ergebnis zählte. Das konnte sie mit göttlichen Soßen noch aufhübschen, zur Zufriedenheit aller. Ich kann mir Mama nicht im Supermarkt vorstellen. Bei Tante Emma gab es keine Fertigprodukte. Mama kaufte dort eigentlich nur Zucker, Salz, Mehl. Und Maggi, nur, weil Papa gerne einen Spritzer davon in die Suppe tat.
Inzwischen haben auch meine Gaumendrüsen umgestellt auf Aufputschmittel, die sich in allem befinden, was aus den Supermärkten kommt: Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Säuerungsmittel, Emulgatoren, Glukose, Fruktose, Dextrose und wer weiß was sonst noch. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Deshalb schmecken auch die Mahlzeiten in den Flugzeugen, sofern man sie noch bekommt, so neutral, dass vom Fettmensch bis zum Magersüchtigen, vom Muslim bis zum orthodoxen Katholiken, alle (un)zufrieden gestellt werden können. Von Pferdefleisch in der Luft hat man bisher jedoch noch nichts gehört. Das wird noch kommen.
Zurück zu Jean und Oma: beide suchten das Glück im eigenen Garten und bei den Tieren der Umgebung. Argentinisches Rind, norwegischer Lachs, Böhnchen aus Kenya, australischer Wein und dänische Butter waren unbekannt. Garnelen wurden nicht nach Tunesien zum Auspulen und wieder zurück geflogen. Zusatzstoffe wurden nicht gebraucht. Es wird schwer sein, zu den "primitiven" Methoden unserer Ahnen zurückzufinden, um beim Essen wieder glücklich zu sein. Und diejenigen, die den preiswerten Unrat in den Billigmärkten kaufen müssen, sollen wissen, dass dies alles andere als gesund ist. Aber, Essen hat eben auch heute noch einen hohen Stellenwert. Was tun?
Wenn meine Freunde mich zu Jean schickten, um Fleisch einzukaufen, war dies nicht nur ein Vertrauensbeweis, sondern ich konnte gleichzeitig mein Französisch etwas aufbessern. Da es Winter war, hingen die riesigen Schweine- und Rinderhälften außen vor dem Laden, sozusagen als Appetitanreger ersten Grades. Jean nahm sich alle Zeit, mit seinem schärfsten Messer die Fleischfront abzuschreiten und mich auf die besten Stücke hinzuweisen. Dann stach er zu: er schnitt genüsslich die gewünschten Stücke ab und wickelte sie für mich in Pergamentpapier. Der Preis spielte keine Rolle. Es gab die Filetstücke, und es gab das weniger herzhafte Fleisch, das entsprechend zubereitet wurde, um eben auch zu schmecken. Die Zufriedenheit seines Tuns war an Jeans Gesicht leicht abzulesen.
Es geht auch fleischlos |
Meine Mama lebte damals noch in Baden. Sie liebte das Kochen und war süchtig auf zufriedene Gesichter. Eine Performance-Künstlerin der Kochkunst. Auch sie kümmerte sich persönlich um den Kauf der Lebensmittel, auch des Fleisches. Die Zubereitung war ein künstlerischer Akt, doch nur das Ergebnis zählte. Das konnte sie mit göttlichen Soßen noch aufhübschen, zur Zufriedenheit aller. Ich kann mir Mama nicht im Supermarkt vorstellen. Bei Tante Emma gab es keine Fertigprodukte. Mama kaufte dort eigentlich nur Zucker, Salz, Mehl. Und Maggi, nur, weil Papa gerne einen Spritzer davon in die Suppe tat.
Inzwischen haben auch meine Gaumendrüsen umgestellt auf Aufputschmittel, die sich in allem befinden, was aus den Supermärkten kommt: Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Säuerungsmittel, Emulgatoren, Glukose, Fruktose, Dextrose und wer weiß was sonst noch. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Deshalb schmecken auch die Mahlzeiten in den Flugzeugen, sofern man sie noch bekommt, so neutral, dass vom Fettmensch bis zum Magersüchtigen, vom Muslim bis zum orthodoxen Katholiken, alle (un)zufrieden gestellt werden können. Von Pferdefleisch in der Luft hat man bisher jedoch noch nichts gehört. Das wird noch kommen.
Geliebter Rocco. Auch er weiß was gut ist. |
Zurück zu Jean und Oma: beide suchten das Glück im eigenen Garten und bei den Tieren der Umgebung. Argentinisches Rind, norwegischer Lachs, Böhnchen aus Kenya, australischer Wein und dänische Butter waren unbekannt. Garnelen wurden nicht nach Tunesien zum Auspulen und wieder zurück geflogen. Zusatzstoffe wurden nicht gebraucht. Es wird schwer sein, zu den "primitiven" Methoden unserer Ahnen zurückzufinden, um beim Essen wieder glücklich zu sein. Und diejenigen, die den preiswerten Unrat in den Billigmärkten kaufen müssen, sollen wissen, dass dies alles andere als gesund ist. Aber, Essen hat eben auch heute noch einen hohen Stellenwert. Was tun?
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