Mittwoch, 23. Januar 2013

Wie schön ich war!

Alte Fotos sind eine reine Pest, vor allem, wenn man genügend Jahre angesammelt hat, um jedes einzelne durch hunderte fotografische Dokumente belichtet zu haben. Dabei war fotografieren eine echte Kunst. Man ging ins Atelier und posierte. Wie schön die Eltern waren, als sie heirateten. Und dann kam die Fotitis: es wurde viel geklickt. Ich muss irgendwann ganz nackt auf einem Lammfell gelegen haben. Das Foto war schwarz-weiß. Nicht wegen der Nacktheit, sondern wegen des schwachen Wiedererkennungseffekts warf ich es weg. Wir ziehen um, hatten das Angesammelte bei verschiedenen Umzügen immmer wieder mit uns geschleppt, ohne es zu sichten, ordnen oder es zu vernichten.


Jetzt ist es soweit. Meine Bilanz ist traurig: die wenigsten unter den Fotos sind interessant  oder relevant. Man weiß nicht mehr wo aufgenommen, wer daneben steht und lächelt, in welchem Jahr etwas fotografiert wurde. Hier ist meine Schwester drauf, teilweise mit ihren Kindern. Süß! Hat sie diese Aufnahmen mit nach Amerika genommen? Warum gibt es so viele Aufnahmen unserer Tante? Sie war nicht verheiratet, aber irgendwie super aktiv im Leben. Rein ins Flugzeug, raus aus der Kirche, und die vielen ältlichen Freundinnen, wie hießen die noch alle? Kraft durch Freude (ein nationalsozialistisches Reiseunternehmen) hat meine Tante in die ganze weite Welt gebracht, obwohl sie die Nazis hasste. Ich behalte sie als eine aufrechte Streitaxt in Erinnerung und werfe nicht alle Fotos von ihr weg. Meine Kinder liebten sie, weil sie streng aber gerecht war und Eis am Stiel spendierte.

Durch meinen Umzug nach Wien, nächste Woche, bin ich gezwungen, Ballast abzuwerfen. Also werden viele Fotos in den Müll wandern. Sie haben ihre Schuldigkeit getan. Sie können das Gedächtnis nur stützen, nicht ersetzen. War ich schön? Als Kleinkind, so erinnere ich mich, waren alle sehr freundlich zu mir. Schön vielleicht nicht, aber gut angenommen, immer im Leben. Auch von den Enkeln. "Opa, wenn ich groß bin, werde ich Lehrerin und dann heirate ich dich". Das musste ich mir von meiner kleinen Enkelin sagen lassen. Ich werde die restlichen Tage meines Lebens damit verbringen, mich gelegentlich daran zu erinnern. Dazu muss man nicht schön sein, sondern nur geliebt werden.

Mit etwas Glück wird aus einem schönen Baby eine viel bewunderte Ruine in eigener Sache.

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