Donnerstag, 8. November 2012

Sie kuscheln uns wieder an.


Wie kitzle ich aus dem Verbraucher, der angeblich wieder etwas mehr Geld in der Tasche hat, das heraus, was mir zur Gewinnmaximierung noch fehlt? Ich fahre einen Großeinsatz in Werbung. Jetzt, wo Weihnachten vor der Tür steht, unbedingt notwendig. Aber steht Weihnachten vor der Tür? Wenn Konflikte in Israel, Russland, Afghanistan, Syrien, Libyen und anderswo durch eine Wahlkampagne in den USA, oder sonst ein Ereignis, einfach medial hinweggefegt werden, kann ich nicht verstehen, warum jetzt die Supermärkte einen solchen Werbeterror machen: Zimtsterne hier, Knusper-Honig-Nuss da. Wir werden wieder einmal mit Gewalt und mit der Nase auf etwas gestupst, was uns doch wirklich nicht interessiert. Weihnachten ist noch lange hin.


Der Weihnachtszauber ist schon längst verflogen. Was wir jetzt wieder erleben, ist der Aufguss desselben. Ich habe mir vor ein paar Tagen einmal den Schrott beiseitegelegt, der trotz deutlicher Hinweise unerbittlich in meinem Briefkasten landet. WerbeSchrott, WerbeDesinformation, WerbeMasturbation, WerbeKotze. Das geht dann so: Filz-Dekoband, zum Schmücken und Gestalten. (Wer braucht das?) Keramik-Windlicht. (Wer braucht das?) Hunde-Transportbox. (Wer, bitte, benötigt so etwas?) Elektro-Ast-Kettensäge. Vielleicht braucht man das ja für den Weihnachtsbaum.

Delikatess Hinterschinken. Spitzen Langkornreis. Guten Appetit Suppe. Krepp Klebeband. Nur für kurze Zeit. Künstlicher Weihnachtsbaum, inkl. Baumständer. Winter-Arbeits-Handschuhe. Wer freut sich nicht darauf? Hähnchen "Diavolo" aus der Frischfleischtruhe. Ich dachte immer, die Truhen sind dazu da, aus Frischfleisch Altfleisch zu machen. Grabschale mit echter Nobilistanne. Wow! Frische Butter, 33% billiger: Warum? Toilettenpapier mit Wolke 7 Motiven. Jetzt kommen wir ins Träumen.


Mehr fürs Geld ist ja ganz gut. Aber schmecken gekaufte Zimtsterne noch wie Zimtsterne? Eine Gutenappetitsuppe stelle ich mir grauenhaft vor. Warum heißt es "frische Butter", wenn man weiß, wie alt diese sein kann? Das Überangebot an Selbstanpreisungen in den Prospekten geht auf den Keks. Trickreiches Verschleiern der wahren Umstände ist an der Tagesordnung. Man möchte protestieren und geht dann doch in diese an Aasgeier erinnernden Supermärkte, nur weil sie fast alles anbieten, alles in Höchstqualität und Superfrische. Und dazu bieten sie auch noch Parkplätze in Hülle und Fülle.


Dabei gibt es jetzt überall die kleinen Anbieter. Sollte man sich nicht erst im Bauernlädchen umschauen? Die Verkäuferin sitzt nicht an der Kasse und hetzt einen Kunden nach dem anderen davon, sondern sortiert das Gemüse aus, um Unfrisches zu entfernen. Mit etwas Glück sind auch noch die Preise unter dem Niveau des Supermarktes. Wir müssen wieder lernen, einzukaufen. Nicht zu shoppen. Und, als Kunde, möchte ich jetzt wie ein Premiumkunde, Delikatesskunde oder Gourmetkunde behandelt werden.




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