Freitag, 14. September 2012

Das Buch, vergriffen oder verludert?

Ein Buch kümmert sich in der Regel einen Dreck darum, ob und von wem es gelesen wird. Einmal gedruckt, liegt es herum, entweder im Verlag, oder in der Auslage, oder, wenn es Glück hat, auf dem Nachttisch, bei guter Beleuchtung. Der Autor kann dabei getrost vergessen werden. Namen werden alle wieder zu Schall und Rauch. Was gibt es da für Spinner: der eine schreibt über das Liebesleben von anderen, manchmal auch über sein eigenes. Der andere sieht nur Leichen herumliegen und versucht, durch an den Haaren herbeigezogene Schlussfolgerungen dem Mörder auf die Spur zu kommen. Spannend sollte ein Buch natürlich schon sein. So gesehen, ist auch der "Kampf um Rom", der intrigengeschwängerte Historienschinken von Felix Dahn, gute Unterhaltung.

Das isländische Telefonbuch

Das Sachbuch interessiert andererseits doch nur, wenn der Titel etwa so lautet: "Das Liebesleben der südwestdeutschen Ameise, unter Berücksichtigung des Klimawandels". Oder "Der menschliche Körper und seine Funktionen". Meine kleine Schwester und ich wussten ganz genau, wo im Bücherschrank unserer Eltern das schwere Buch stand. Wir nannten es das "Doktorbuch". Sobald Papa und Mama das Haus verlassen hatten, machten wir uns ans Werk. Mit Wohllust und Schaudern betrachtete ich den (nackten) weiblichen Körper und stellte mir allerhand darunter vor. Aufklärung kam ja erst mit Oswald Kolle.

Der nackte Mann - ein Roman

Die Faszination des Entdeckens. Das ist es, was Kinder und Jugendliche zum Lesen bringt. Karl May unter der Bettdecke, mit einer  absolut augenverderbenden Taschenlampe, die in den letzten Zügen lag. Ich konnte in dieser Zeit einen sechshundertseitigen Reisser von Karl May in einer Nacht lesen und ging dann am Morgen zur Schule, als wäre nichts geschehen. Bald danach wurde ich Brillenträger. Aber, das passt ja zur übertriebenen Lektüre. Auch Liebesromane wurden verschlungen. Je kitschiger, desto besser.


In der U-Bahn von Berlin, genau wie in der von Tokio, New York, Paris, Madrid oder London kann man sie sehen. Sie ergattern vielleicht einen Sitzplatz, oder auch nicht, das Buch ist unter den Arm geklemmt oder wird aus der Jackentasche gezogen, und schon geht es los. Dabei spielt es kaum eine Rolle, wieviele Stationen man abwarten muss. Der Körper spürt es, wenn er aussteigen muss. Oft gibt es dann keine Gelegenheit mehr, das angefangene Kapitel zu Ende zu lesen. Erst wieder, wenn das Bett als Ruhepol auf Lesen eingestellt ist.


Science Fiction war mal eine Literaturgattung, die viele nur so verschlangen. Der menschlichen Fantasie waren da keine Grenzen gesetzt. Heute leben wir in der SF-Welt, wo man den Rechner aufmacht, sich ein einklickt, um dann irgend einen Blödsinn aufgetürmt zu bekommen. Bevor man das eigentliche Leseziel erreicht, kommen Werbung, Hinweise, Geblinke und Gestottere. Ist es das, was wir wollen? Macht uns das intelligenter? Der Neuigkeitswert des da Gesagten und Geschriebenen kommt jedoch nie an das Gedruckte von einst heran.  "Bob Dylan beschimpft Kritiker", "Mutterliebe unter Walen", "Schluss mit Riesensoftdrinks", "Löw: es läuft nicht alles rund". So lauten die Schlagzeilen der Verdummung, denen wir täglich im Internet ausgesetzt sind. Wie schön sind doch die Gedichte von Herta Müller!





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