Sonntag, 19. Februar 2012

Vorteilsannahme - eine Annahme?

Worin können solche Annahmen bestehen? Darin, dass jemand etwas angenommen hat, zu seinem eigenen Nutzen. Dafür gibt man gewöhnlich auch etwas. Das ist das Geben-Nehmen-Prinzip. Bei Geschäftsleuten üblich. Unter Freunden möglich, obwohl wahre Freunde nicht gerne aufrechnen.

Wie wir gesehen haben, ist Vorteilsannahme das Ende eines Prozesses, der schon früh beginnt. In der Jägersprache heisst das: Ankirren oder Anfüttern. Man tut das mit hungrigen Rehen, um diese an einen bestimmten Essplatz zu gewöhnen. Eine ganz harmlose Angelegenheit, weswegen man auch äußerst selten darüber spricht.

Einem Amts- und Würdenträger kann es passieren, dass er Geld braucht, und/oder am Glanz der Superreichen ein wenig teilhaben möchte. Spätestens dann muss er in die moralische Kiste greifen, in der normalerweise Rezepte für gutes Verhalten herumliegen. Man kann dann reumütig Fehler eingestehen, sie offenlegen, und, aufgrund eines schwer erklärbaren Sympathiebonusses, auf großzügiges Vergeben hoffen.

Wer aber schon angefüttert ist, schlittert immer weiter in die Annahme von Geschenken. Man hat es dann ganz deutlich mit weniger guten Freunden zu tun, die man meist auch nicht mehr los wird. Dies geschieht in diesem unserem Lande genauso, wie auf globaler Ebene, weshalb manche Konzerne Schwierigkeiten haben, Milliardenbeträge für "Aufwendungen" im PR-Bereich zu erklären. Die Aktionäre interessieren sich schließlich nur für die Dividende, nicht für den Weg dahin.



Traurig, dass so etwas heute auch einer Staatsspitze zustößt. Beschädigung des Amtes, nennt man das. Gut, dass dieses Amt bald wieder aufatmen kann, denn wir lieben unsere Präsidenten, vor allem, wenn sie offen und ehrlich sind. Und: Vorbild! Vorläufig hat es sich ausgewulfft.


Montag, 13. Februar 2012

Indien - die Frauen kommen, weltweit!



Wer hat schon Lust, zwei Stunden mit der Bahn, dann neun Stunden mit dem Flugzeug und dann noch einmal zwei Stunden mit dem Auto unterwegs zu sein, Wartezeiten nicht gerechnet, um  eine Konferenz über Frauen und Technologie zu besuchen? Niemand? Der Weg ging über Frankfurt und Neu Delhi nach Bangalore im Süden Indiens. "The International Women's Conference" wurde in einem Ashram bei Bangalore veranstaltet, einem Rahmen, der zu einer erstaunlichen Dynamik führte, über die zu sprechen sein wird. Cathie hatte eine Einladung erhalten, über Frauen und soziale Medien zu sprechen und an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen. Ich ging mit, war wohlwollend geduldet und Teil einer winzigen, aber neugierigen männlichen Minderheit. Diese Konferenz hat meine ohnehin positive Einstellung zum weiblichen Geschlecht gehörig revolutioniert. Die über 500 Frauen, fast alle Führungspersönlichkeiten, kamen aus 55 verschiedenen Ländern, um über den Zustand von Frau und Technologie in allen Variationen zu konferieren. Was können die Erwartungen an ein solches Treffen sein?


                                                     The Art of Living

Doch was ist Indien und was ist ein Ashram? Indien, wie es in unseren europäischen Köpfen herumspukt, ist das Taj Mahal, der Fakir, der Schlangenbeschwörer, das scharfe Essen, die Heimat der Elefanten, schwarzes Haar, dunkle Augen und viel Curry. Natürlich auch Mahatma Gandhi, der gewaltlose Befreier Indiens von der Herrschaft durch die Briten. Ein Führer, den man nicht mit den oft bedeutungslosen Routinepolitikern vergleichen kann und der die Welt verändert hat. Aber auch über vieles andere muss geredet werden, denn Indien ist ein Kontinent mit einer langen und vielfältigen Geschichte. Mit vielen Sprachen und ethnischen Gruppen. Was man da alles erlebt, ist schwer zu beschreiben.

Ein Ashram ist ein Ort, an dem alles möglich ist: geistig-religiöse Begegnung, Yoga, Zusammenleben nach den Regeln der Harmonie. Es gibt winzige und sehr große Ashrams, wie das "The Art of Living", von dem eine Niederlassung, die Zentrale für Europa, im badischen Bad Antogast bei Offenburg, angesiedelt ist. Das riesige Areal beherbergte für drei Tage eine geballte Konzentration von Frauen, die tiefe Eindrücke hinterließen, Eindrücke, die nachhaltig in die Welt hinausgetragen werden. Wir Männer spielten dabei eine untergeordnete Rolle, dabei hatten die Diskussionen zum Ziel, den Frauen in der Gesellschaft den Rücken zu stärken, nicht, die Männer mit feministischen Parolen zu erschrecken.




Der Gründer von "The Art of Living", Sri Sri Ravi Shankar, ein wie ein Gott bewunderter und verehrter Guru, hat diesen Kongress in dem Meditationsgebäude, das einer Lotusblüte nachempfunden ist, eröffnet. Als Nichtregierungsorganisation ist Art of Living in über 150 Ländern vertreten. Beispiel für engagiertes Wirken: als 2004 der alles verwüstende Tsunami durch Asien wütete, halfen 5000 Freiwillige von Art of Living die Auswirkungen zu mildern. Sri Sri Ravi Shankar wurde 2005 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, was das weltweite Wirken dieses Weisen unterstreicht. Außergewöhnliches geschah bei dieser Konferenz: sie begann mit dem Tanz der 500 Teilnehmerinnen, ein Anblick von größtem Reiz, da die meisten Würdenträgerinnen in malerischen Saris und buntgeschmückter Kleidung gekommen waren. "Schaltet alle eure Mobilfone ab" hieß es da gleich zu Beginn. "Wir Frauen können alles, manches sogar besser". In Indien sagt man, das Leben der Frau sei von der Geburt bis zum Grab mit Tränen gefüllt. Das muss sich ändern, sagte die Ministerin für Frauenfragen von Karnataka, dem Bundesstaat, dessen Hauptstadt Bangalore ist. 80% der Arbeit in diesem Land würde von Frauen verrichtet. Heute benötigen wir Frauen mit Berufsleben UND Familienleben, wurde gesagt, und die Korruption, für die Männer zuständig seien, müsse weg. Der Zugang von Frauen zu den Medien wurde bedeutungsvoll unterstrichen durch eine Teilnehmerin aus dem Libanon, die an der Verbreitung von Nachrichten durch Facebook in Ägypten maßgeblich beteiligt war. In Andhra Pradesh (Hauptstadt Hyderabad) hatte eine Frau beobachtet, wie ein Mann auf der Straße seine Frau mit einem Stock schlug. Daraufhin griff sie ein und gründete dann eine Bewegung gegen häusliche Gewalt, die heute überall erfolgreich tätig ist.




So vieles wäre zu sagen, etwa, wie die Frau als Unternehmerin heute auf allen Gebieten tätig ist. Oder als Ministerin in Südafrika. Eine würdevolle Vertreterin der Politik und Anhängerin von Nelson Mandela. Eine haarlose buddhistische Nonne aus Taiwan, die ihr eigenes Geschlecht infrage stellte, indem sie betonte, das sei unwichtig. Viel Humor auch, neben all dem Ernsthaften, bei einer Schwarzamerikanerin, die den Frauen weltweit Mut machte. "We shall overcome" hob sie an zu singen und tanzte mit ihrem Mikrophon in der Hand. "Spiritualität muss nicht erworben werden. Sie ist in uns", sagte sie: eine zwei Meter große Frau, ein weiblicher Berg, mit leicht blöndlich gefärbtem Haar und männlicher Stimme. Eine Eiche von einer Frau, dazu Bischof der methodistischen Kirche, dazu 81 Jahre jung. Meine Cath wirkte neben Barbara Lewis King wie ein Zwerg. Uns Männern war hier die Rolle des Kameramannes, Tontechnikers und Türstehers zugewiesen. Das war gut so. Die Frau wird in der Gesellschaft von Morgen die Führung übernehmen. Das ist gewiss. Denn der Umgang mit Technologie, mit Management, mit Führungspositionen ist  Frauensache. Männer neigen zu Korruption und Vetternwirtschaft, Frauen erhalten durch Technologie mehr Zeit zum Bewahren menschlicher Werte. "Meine schönen Schwestern" begann die südafrikanische Ministerin ihre Rede. Man stelle sich die Männerwelt vor: "Meine schönen Brüder", mit dunklen Anzügen, Krawatten, Glatzen und schmuddeligen Bärten. Nix tanzen, nix singen, nix Schwestern. Wir Männer werden es nicht leicht haben, wenn mehr Frauen in Schlüsselpositionen drängen. Bald werden wir irgendwo  weibliche Verteidigungsminister haben. Dann ist es vorbei mit dem kostspieligen Herumhantieren mit Waffen. Frauen als Führerinnen in Großbanken? Dann hätten wir weniger zu befürchten. Warum haben wir das nicht schon längst?

Mittwoch, 1. Februar 2012

Bangalore liegt östlich von Mangalore



Wer nach Indien will, hat es schwer: man fährt nicht einfach nach Indien, ein Land, das 3,3 Millionen Quadratkilometer groß ist. Deutschland wäre von der Größe her nur die Stelle hinter dem Komma. Unsere Reise geht nach Südindien. Hauptsächlich nach Bangalore. Das liegt zwischen Mangalore (am Arabischen Meer, Westküste) und Madras (am Golf von Bengalen, Ostküste), das offiziell Chennai heißt. Bangalore liegt genau auf der Mitte und heißt offiziell Bengaluru. So ist das. Wir entfliehen der grausigen sibirischen Kälte unseres Schwarzwaldes, weil Cath in Bengaluru einen Vortrag auf einem internationalen Frauenkongress hält.

Wir werden viele Orte nicht besichtigen können: Belur, Halebid, Hampi, Mysore. Die Zeit erlaubt es nicht. Außerdem war ich vor Jahren schon mal an diesen Orten, sowie in Bengaluru. Für mich gibt es also ein Wiedersehen mit Bangalore, und dazu, viele neue Entdeckungen, die mich jetzt schon vor Aufregung erschauern lassen. Nach der medikalen Vorbereitung (Vorsicht: Malaria, Infektionen, Schlangenbisse?), kam das Zurechtlegen sommerlicher Kleidung, inklusive Sonnenkrem, und die Bevorratung an Geld. Rupien dürfen nicht eingeführt werden, Euros werden nicht leicht getauscht, also haben wir uns die Taschen mit britischen Pfund und amerikanischen Dollars vollgestopft, die Dollars alle in 1 $ Noten, die man leicht als Trinkgeld und Almosen verabreichen kann. Denn die vielen indischen Kinder (die Inder sind eines der jüngsten Völker dieser Erde) erkennen einen Europäer auf Anhieb und wollen dafür belohnt werden.

Außerdem ist Bangalore das Silicon Valley von Indien. Da soll der Lebensstandard inzwischen sichtbar höher sein als im Rest des Landes. Bei meinem ersten Besuch in Indien hatte Bangalore gerade 2 Millionen Einwohner. Heute sind es acht Millionen. Die rötlichen Flecken auf den Gehsteigen rühren vom eifrigen Kauen und Ausspucken eines Saftes her, der Paan heißt und der leichteren Verdauung dienen soll. Es handelt sich hier um die Nuss der Arekapalme, (nicht, wie oft angenommen, um Betelnüsse), die gehackt in ein Blatt des Betelbaumes eingewickelt ist. Hinzu kommen verschiedene Substanzen wie weißer Löschkalk, eine rote Paste, Kautabak und anderes. Wer aufmerksam durch die Straßen von Paris läuft, oder eine beliebige andere Stadt in Europa, entdeckt auf den Trottoirs weißlich-graue Flecken in Masse, die wohl vom Ausspucken von Kaugummi herrühren. In Indien ist es eben Paan, das gespuckt wird.



Was aber in Indien vor allem auffällt, sind Tempel, Tempel, Tempel, aber auch Moscheen. Wir freuen uns darauf und werden die Augen offenhalten, denn Reisen bildet, auch wenn in der weiten Welt gelegentlich kleine und große Missgeschicke auftreten können. Die sind dazu da, überwunden zu werden. Heute Nachmittag soll's losgehen. Morgen werden wir, so Shiwa oder Vishnu es wollen, in Bengaluru ein Curry zu uns nehmen.