Man hört sie nicht. Sie sitzen auf Pfählen, stoisch in die Ferne blickend. Das kalte Vorfrühlingswetter lässt sie erst einmal abwarten, was da noch kommen könnte. Die ersten Touristen. Narren, die sich zu nächtlicher Stunde versammelt haben, um lärmend ihren närrischen Marsch anzutreten. Schauerlich schön. Wie soll da eine Bodenseemöwe den Überblick behalten? Oder war es Rache? Wofür? Nach einer recht erholenden Nacht im Bürgerbräu, einem historisch gewachsenen Fachwerkbau (Hotel Restaurant in dritter Generation, 12 Zimmer, beste Küche, heißt es in einem Prospekt) fast im Zentrum von Überlingen, (wo waren wir stehen geblieben? ach, ja, die Möwen) fanden wir unser blaues Auto rätselhaft mit Möwenkot bekleckert. Ein Zeichen, das wir nicht anders deuten konnten als „hier sind wir willkommen“.
Das waren wir offensichtlich auch noch, als wir nach einer knappen Woche aus dem Allgäu kommend, wieder im Bürgerbräu landeten. Wieder war der Tisch für uns und unsere Freunde gedeckt. Wir freuten uns, nicht der manchmal stressigen Prozedur zu unterliegen, in einem renommierten Esshaus etwas Passendes aussuchen und gleichzeitig auf den Geldbeutel achten zu müssen. „Sichwohlfühlen“ ist das Stichwort für dieses Restaurant. Angemessene Preise, Gute Beratung, auch in Trinkangelegenheiten. Die Weine, von denen wir reichlich gekostet, inbegriffen. Ein offensichtlich begabter, und mit vielen Wassern gewaschener Koch, der sichtlich Freude an seinem Tun empfindet, bietet ein reiches Programm an fast exotisch anmutenden Speisen: natürlich kann man sich nicht durch das ganze Menü essen, so schön das auch wäre. Also wählt man auf gut Glück unter den – wie es im Faltblatt heißt – liebevoll zubereiteten Spezialitäten, regionalen Köstlichkeiten aus Wiesen, Wäldern, Seen. Das reicht von ländlichen Delikatessen bis zu asiatischen Finessen. Reines Eigenlob wäre das, wenn Simon Metzler, der Sohn des Hauses, mit seinen originellen Speisen nicht ernst machen würde. Gastronomisches Tralala ist allenthalben vernehmbar, wenn man in die etwas ehrgeizigeren Kategorien aufsteigt, wo man auch schon nach dem Guide Michelin schielt. Hier hingegen kann man getrost auf Entdeckungsreise gehen. Der Gaumen findet da Erstaunliches. Ich weigere mich, auch nur ein Menü zu erwähnen. Das-sich-überraschen-lassen ist der Clou. Hoffentlich kommen die mäkelnden und leider auch seltsam verkalkten Hüter der französischen Esskultur nicht auf die Idee, den Bürgerbräu von Überlingen in ihre biblischen Annalen aufzunehmen. Es wäre dieser Art zu kochen und zu essen eher abträglich. Wolfi und Cath geben freiwillig fünf Sterne. Nur schade, dass die Möwen vom Bodensee unser schönes Auto bekleckert haben.
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