Samstag, 2. Juni 2018

Fliegenschiss oder so

Nannte der naziverdächtige Gauleiter das Dritte Reich, womit er natürlich recht hatte. Doch ganz so ernst möchte man es nicht nehmen. Gauland heißt der Knabe, der gerne vieldeutige Sprüche macht, um sich bei seinen rechtswabernden Anhängern in der Republik unmadig zu machen. Ein bisschen herumspielen genügt nicht, wenn man mit der deutschen Vergangenheit fertig werden möchte. Die Nazis sind für den Tod von Millionen Menschen, Juden und Nicht-Juden, verantwortlich gewesen. Heute besteht die Gefahr, dass das alles relativiert wird. Wir Nachgeborenen müssen uns betroffen fühlen, auch wenn wir keine Verantwortung tragen.

Altnazi? Neunazi? 
Es ist die Menschenverachtung, der Mangel an Warmherzigkeit, die Indifferenz, die uns zu schaffen machen. Sogar dem großartigen Politiker Helmut Schmidt hat man oft Kaltschnäuzigkeit nachgesagt. Die Mogadischu-Affaire, 1977, in die der Kanzler Schmidt zutiefst verwickelt war, hat uns eines besseren belehrt. Kühler Kopf und klare Gedanken kamen zum Einsatz. Das waren damals die Werkzeuge Helmut Schmidts. Als Organisator der Wasserkatastrophe von Hamburg, hatte er bereits seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Willy Brandt war der Kanzler der Herzen, Helmut Schmidt der Kanzler des Verstandes, weltweit geschätzt, was für einen deutschen Politiker eine besondere Auszeichnung war.


Auch wenn der AfD-Bonze Gauland von Vogelschiss der Geschichte sprach, nicht von Fliegenschiss, mag man die darin liegende Verachtung für die Nazizeit nicht abnehmen. Starke Worte sind nicht immer als Waffe gemeint. Manchmal gelten sie auch als Werkzeug, das nur zufällig herumliegt. Helmut Schmidt, dessen 100. Geburtstag wir in diesem Dezember feiern könnten, wurde von Helmut Kohl in unrühmlicher Weise abgelöst. Doch beide konnten dem Verdacht entkommen, rechtsdenkende Politiker gewesen zu sein.


Ein hochintelligentes Buch ist mir gerade in die Hände gefallen. Darin lese ich jetzt mit wachsender Zustimmung: Helmut Schmidt: Außer Dienst. Eine Bilanz. Ein Glück, dass wir diesen klugen Geschichtsversteher als Kanzler hatten. Keine Spur von Selbstbeweihräucherung. Eher ein gutes Maß an Selbstkritik. Das steht einer Nation wie den Deutschen, die oft als rechthaberisch daherkommen, gut zu Gesicht. Mehr muss dazu nicht gesagt werden.


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