Mittwoch, 29. November 2017

Das Umdenken - wie geht das?

Eine meiner ersten Erfahrungen im Leben war, dass ich das Pferd für den Mann der Kuh hielt. Auf dem Land, oft bei armen Bauern, konnte man Gespanne mit Wagen (Heuwagen?, Strohwagen?, Leiterwagen?) beobachten, die von einer Kuh und einem Pferd gezogen wurden. Ich fand das ganz familiär, geradezu harmonisch. Als Kind zieht man so seine Parallelen, und wer nicht alles mühsam und neugierig erfragt, bleibt lange auf seinen Irrtümern sitzen.

Ihr Mann sitzt in der Kneipe 
Als meine Oma einmal wütend ausrief, "dieser Hitler ist ein Teufel", da glaubte ich, den Hitler zu kennen, aber nicht den Teufel. Beiden war ich noch nie begegnet. Aber, von da an wusste ich, dass dieser große Führer kein großer Führer war. Ich behielt für mich, was Oma gesagt hatte, und was ich vom Führer zu halten hatte. Einmal hörte ich den Führer im Radio sprechen, nein, er brüllte nur. Da glaubte ich zu wissen, dass man brüllen muss, wenn man sich durchsetzen wollte. Viel viel später hatte ich mal einen Chef, den ich fast verehrte, weil er - wenn auch manchmal mit bedrohlichem Unterton - nie schrie, sondern ganz leise sprach. Ich musste wieder einmal umdenken.

Er hat gerne gebrüllt 
Als Knabe verehrte ich von Anfang an alles was weiblich war. Großmütter, Mama, Tante und sonstige Frauen waren für mich höchste Autoritäten. Wenn Hitler, oder viel später, Konrad Adenauer oder der Papst eine Frau gewesen wäre, hätte sich die Welt anders gedreht. Ein Umdenken wäre für mich nicht nötig gewesen. Ich hatte immer eine halbe Weiblichkeit in meinem Kopf und fühlte mich damit wohl.
Halbe Weiblichkeit im Kopf 
Dass mit der Männlichkeit etwas nicht stimmte, erkannte ich schon ganz früh, denn außer meinem Vater, wenn er mir den Kleinen Lord vorlas, habe ich nie einen Mann weinen sehen, geschweige denn, schluchzen. Das Ganze muss irgendwie einen sexuellen Hintergrund gehabt haben. Ein Mann weint nicht, hieß es. Ich konnte zusammen mit Papa (und der kleinen Schwester) hemmungslos aufheulen, bis das Umdenken einsetzte. Mama hat fast nie geweint, nur in Trauerfällen.

Ein weinendes und ein lachendes Auge 
Da wusste ich längst, dass es ein weinendes und ein lachendes Auge gab. Ich bemühte mich dann oft, beide Seiten zu verstehen und nicht nur zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Wenn ich an die umtriebige AfD denke, oder an sonstige Fanatiker, von denen es plötzlich immer und überall mehr zu geben scheint, versuche ich, die Unterseite dieses Geschwürs zu betrachten. Erkenntnisse, die zum Umdenken anregen, gibt es da nicht. Das ist alles unappetitlich und ekelhaft. Doch jetzt haben wir international die Erkenntnis gewonnen, dass Ekel Ekel ist, und dass wir nicht alleine sind, wenn wir das Gute wollen. Das ist doch was? Umdenken kann nicht schaden.










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