Zuerst sitzt man vor dem Radiogerät und lauscht. Hier in Yorkshire ist es Radio Leeds von BBC. Gut genug für die Nachrichten, sowohl regional als auch national. Zum Glück erhält man auch über das Internet den Deutschlandfunk, der stündlich die wichtigsten Nachrichten international und national verbreitet, sodass man als Immigrant in Shakespeareland gut versorgt ist. Dann kommt der Sender für die Seele oder das Musische, etwas zum Träumen. Als es noch Plattenspieler gab, legte man sich seine Lieblingsplatte auf, bis die vielen Kratzer nicht mehr zu überhören waren. Hier in England gibt es für das Klassische einen Sender, der sich Classic FM nennt.
Was immer Classic FM anbietet, ist herrliche Musik, die man irgendwie schon gehört hat. Ein Moderator schwelgt in musikalischen Leckerbissen wie die Schererazade von Rimsky-Korsakov oder den Schwanensee von Tschaikovsky. Gewöhnlich schalte ich das Gerät zum Frühstück ein und beim Verlassen des Wohnzimmers am Abend wieder aus. Eine angenehme Dauerberieselung, möchte man denken. Schon wegen der stündlichen Nachrichten schaltet man nicht ab. Das führt dazu, dass man - wenn man am Rechner sitzt, telefoniert oder sonst etwas tut, meist nur mit halbem Ohr den Classic-FM-Schnäppchen lauscht. Das kann Folgen nach sich ziehen.
Arabische Nächte... |
Wie kommt so etwas zustande? Nichts gegen die Filmmusik von Howard Shore in Der Herr der Ringe. Bei einem weltweiten Angebot an klassischer Musik, das von Beethovens Für Elise bis zu Debussys Claire de lune, von Benjamin Britton bis zu Gershwin und Rossini reicht, würde sich jeder echte Melomane die Mühe machen, geografisch, historisch, geschmacklich und gemütsbedingt einen weiten musikalischen Bogen um das Riesenangebot zu schlagen. Aber, nein, die Musikwünsche werden von den Zuhörern bestimmt. Also, Klassik für Lieschen Müller, oder Lizzy Miller? Der Unterschied dürfte nicht so groß sein. Wenn also ein Reklamesender möglichst viele Hörer haben möchte, muss er sie befriedigen. Also: den Bolero von Ravel, alle zwei Tage , die Arabischen Nächte, das Ave Verum, den Trumpet Tune by Henry Purcell alle drei Tage undsoweiter. So kommt es, dass die Fimmusik zu Herr der Ringe schon im siebten Jahr - The World's Greatest Musik- zur größten Musik gewählt wurde. Wir haben uns gerade einen roten Lederkoffer gekauft. Was da drin ist? Ein Plattenspieler der alten Art, denn wir haben noch ein paar Platten, die noch nicht zerkratzt sind.
Classic FM muss nicht verstummen. Einen Maserati werden wir aber nicht kaufen. Doch Gustav Holsts Opus 32, The Planets, kommt mir zum Frühstück heute sehr gelegen. Schön zu sehen, bzw. zu hören, dass manche musikalische Renner noch nicht zu Ohrwürmern verkommen sind. Das Wetter und die Wolken am Himmel regen heute zum Träumen an. Für mich sind diese Wolkengebilde gefühlte Musik.
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