Samstag, 30. Juli 2016

Sie stehen im Regen und lieben Salat

Nichts liegt mir ferner als meine britischen Mitmenschen zu verlachen oder zu kritisieren. Aber wenn es draußen regnet, wie heute wieder, komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Mensch hat es gelernt, Vorsorge zu betreiben. Wenn der Geldbeutel leer ist, geht man an den Automaten und lässt etwas heraus. Wenn es Bindfäden gießt, hat man einen Regenschirm zur Hand. Das ist Vorsorge. Deshalb haben die Deutschen den Knirps erfunden, einen Taschenschirm, der vor 90 Jahren die Bewunderung der ganzen Welt erregte.


Es regnet gerade nicht 
Ein Hans Haupt hat diesen Wunderschirm 1928 erfunden, weil er zum Gehstock nicht auch noch einen Schirm tragen konnte. Er erfand das Klappding, das jetzt erwartungsvoll in den meisten Handtaschen sitzt und seiner Benutzung entgegenfiebert. Nicht so hier in Yorkshire, wo man dem Unwetter gerne entgegen sieht, um nicht zu sagen, entgegentrotzt. Die deutsche Unkerei mit dem drohenden Regen ist hier gegenstandslos. Das sieht dann so aus: egal ob junger Mann, oder altes Mädchen, verlässt das Haus ohne Schirm, denn dieser könnte durch starken Wind hinweggefegt werden. Die richtige Kleidung ist dann ein Anorak oder Regenmantel aus Plastik. Das einzig Störende könnte ein unverhoffter Sonnenstrahl sein. Sehr oft sieht man jedoch auch die Trotzigen, die kurzärmelig, mit kleinen Söckchen an den Füßen und in kurzen Hosen herumlaufen und das Wetter ignorieren. Zuerst fand ich das ein wenig lächerlich, doch jetzt weiß ich, dass ein gehöriges Maß an Pioniergeist notwendig ist, halbnackt den Unbilden der Natur zu trotzen. Für die Mädchen kommt noch hinzu, dass nasse Haut besser durchatmet und daher weicher und gesünder wirkt.


Es geht auf den Keks 
Andererseits ist die Verpackungsindustrie eine kriminelle Vereinigung, die es besonders auf die Seniorenbevölkerung abgesehen hat. Das überaus reiche Angebot an Süßgebäck für den Five o'clock tea, (cookies, shortbread, Zuckerkringel etc.) wird den gebrechlichen Verbrauchern oft durch eine hermetisch gestaltete Verpackung vergällt. Je teurer und verführerischer das Gebäck, desto unzugänglicher ist es. Kein Wunder, dass manche das Selberbacken begonnen haben um diesem feindlichen Treiben aus dem Weg zu gehen. Endlich gibt es jetzt Fernsehsendungen, die dieser unnötigen Verpackerei ein Ende bereiten wollen. Die Situation in England ist so, dass allzu solide Verpackungen - das sehe ich an mir - echte Wutausbrüche veranlassen können.

Der Salat ist ein besonderes Kapitel. Grün oder bunt muss er sein. Man tut alles hinein, was eine Kuh oder Ziege in Begeisterung versetzen kann. Das ist ganz gut, jedoch ist es oft nicht möglich, die Herkunft des Grüns zu identifizieren. Manches kann sogar im Hals kratzen. Das Dressing ist meist nicht vorhanden oder äußerst rätselhaft. Die Verwendung von Kräutern scheint eine unbekannte Abneigung hervorzurufen. Man hat den Sinn von Dill, Petersilie, Schnittlauch oder ähnlichem noch nicht erfasst, sodass von Salaten im Allgemeinen abgeraten werden muss. Anders ist es bei Meisterköchen, die sich im Fernsehen hervortun. Da muss man mit allem rechnen.


Nun zu den erfreulicheren Aspekten im Leben der Briten. Während in meiner deutschen Heimat so etwas wie eine Panik (Deutschland den deutsch-Deutschen) ausgebrochen ist und ein Muslim, ob inländisch oder ausländisch, in den Augen der AfD zu einem potenziellen Verbrecher gestempelt wird, kann sich die menschliche Vielfalt hier in England frei entwickeln. Es gibt ganze Viertel, in denen hauptsächlich Asiaten, Afrikaner oder Muslime wohnen. Kein Ur-Engländer käme auf die Idee, nach der Herkunft von jemand zu fragen. Oder sich über die Religion, das Aussehen oder die Kleidung lustig zu machen. Auch hier kennt man Probleme jeder Art, aber man lässt sich nicht zu Verallgemeinerungen hinreißen, wenn Zurückhaltung geboten ist. Und es gibt - wie in Deutschland - viele Berühmtheiten, die "fremd" aussehen, ohne fremd zu sein. Der Fremdenhass ist längst vorbei.


Wie schwer hat es eine Dunja Hayali oder ein dunkelhäutiger Fussballer, einfach als Teil der Gesellschaft angenommen zu werden, trotz ihren persönlichen Leistungen. Die Wurzeln scheinen immer noch eine unverhältnismäßig große Rolle zu spielen. Das ist natürlich provinziell und lässt die nötige Achtung vor dem Mitmenschen vermissen. Und seit vielen Jahren ist bekannt, dass die Kriminalität bei sogenannten Ausländern nicht höher ist als beim durchschnittlichen rechtslastigen Diplomgermanen. Also achtet diese Menschen und erlegt Euch die notwendige Bescheidenheit auf. Die Welt dankt es Euch. Das Leben in Großbritannien ist gerade durch diese unauffällige Integrationskultur lebenswert geworden. Die Benutzung des Regenschirmes oder das Herstellen von Salat ist dabei zweitrangig.






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