Samstag, 13. Juni 2015

Die Ringstraße in Wien - ein jüdischer Boulevard

Damit ist alles gesagt: der Prager Jude trug im12. Jahrhundert einen spitzen Hut. Der französische Jude wurde im 14. Jahrhundert mit einem rotweissen Fleck gekennzeichnet, und der deutsche Jude trug um 1500 einen gelben Fleck. Sehr weit war der Weg also zum Judenstern im Dritten Reich nicht, nur, dass es sich um das 20. Jahrhundert handelte, wo man angefangen hatte, auch Afrikaner als Menschen gelten zu lassen. Dazwischen, immer wieder Symbole, die für etwas stehen mussten. Das Hakenkreuz, das Mutterkreuz, das Rote Kreuz, die Ku Klux Klan Maske, der Halbmond. Wir dürfen die Symbolik immer auch als eine Gefahr ansehen.


Diese Gefahr haben viele Juden und andere Menschen oft nicht sehen wollen, bis es zu spät war. Der gerade erschienene Film "The Woman in Gold" mit Helen Mirren und Daniel Brühl beschreibt mit Feinheit und Takt, was geschah, als die Nichte von Adele Bloch-Bauer, die von Gustav Klimt so meisterhaft gemalte Tante, ein Besitz ihrer jüdischen Familie, zurückgegeben werden sollte. Amerika gegen Österreich, enteignete Juden gegen den Staatsbesitz im Belvedereschloss in Wien. Die Sache ging gut aus. Die Familie konnte den Hauptteil ihres Besitzes wieder haben. Mehr soll dazu nicht gesagt werden, denn diesen Film (Die Frau in Gold) muss sich jeder ansehen.


Der Name Bolwerk aus dem Holländischen hat dem französischen Boulevard Pate gestanden. In alten Städten gab es solche Befestigungen, die dann geschleift wurden, um dem modernen Verkehr Platz zu machen. Paris ist bekannt dafür. Les Grands Boulevards, die großen Prachtstraßen, wurden ein Markenzeichen für die aufstrebende Stadt an der Seine. Nicht anders war es in Wien: hier entstand im 19. Jahrhundert, nachdem die ringförmigen Befestigungen um Wien entfernt waren, die Ringstraße, die sofort als Spielplatz des begüterten Bürgertums akzeptiert und bebaut wurde. Heute ist die Ringstraße eine der Hauptverkehrsadern Wiens.



Prachtbauten und öffentliche Gebäude entstanden in dieser "Gründerzeit". Seit 1848 war auch das Verbot für jüdische Bürger, Grund und Boden zu besitzen, aufgehoben. Für die jüdische Elite, die es sich leisten konnte, entstand, was in einer Ausstellung über die "Ringstraße, ein jüdischer Boulevard" genannt wird. Das Leben jüdischer Familien wie Rothschild, Todesco, Springer, Wiener, Epstein usw.  hat dort seinen wohlhabenden Anfang genommen. Die Ausstellung im Jüdischen Museum in der Dorotheergasse 11 berichtet darüber, indem sie das Leben jüdischer Familien, ihre Gewohnheiten und ihren Lebensstil dokumentiert. Dazu kommt, dass die Ringstraße auch die Entstehung der Psychoanalyse gesehen hat, obwohl Sigmund Freud seine Praxis und Wohnung in der Berggasse 19 hatte. Dem Faschismus entkam er und seine Familie durch die Zahlung einer "Reichsfluchtsteuer" 1938.


Andere jüdische Familien hatten nicht dieses "Glück". Sie wurden im Zeichen eines unmenschlichen Antisemitismus, den es schon zur Gründerzeit gab, unter Adolf Hitler verfolgt, gedemütigt, verschleppt und entrechtet. Hitler hatte sich sogar eines dieser prächtigen Palais, das Palais Württemberg, später als Hotel Imperial bekannt, unter den Nagel gerissen. Die Entwicklung der Ringstraße kann man im Museum heute in lebhaften Bildern mitverfolgen. Die Ausstellung ist bis Oktober 2015 noch zugänglich.












Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen