Sonntag, 31. Mai 2015

Papst Franziskus - ein Revoluzzer?

Man wundert sich über diesen Papst. Noch nicht 80jährig, lateinamerikanisch und schon ein traumatisches Geschwür im Pelz des kleinsten Staates der Welt? Der Vatikan weiß noch nicht so recht, wie er sich benehmen soll: Franziskus ist als Papst so ungewöhnlich, dass er auch die Medien fasziniert. Der gewöhnlich betont unfromme "Der Spiegel" widmete ihm gerade volle 10 Seiten und zeigte ein fröhliches Gesicht des Papstes gleich neunmal auf der Titelseite. Der Titel als solcher: der entfesselte Papst. Da haben wir's: ein Heiliger Vater zum Anfassen.



Was am Pontifex entfesselt sein soll, erschließt sich nicht sofort, obwohl der Papstartikel von intimem Wissen geprägt ist. Es ist natürlich etwas waghalsig, ein Denkmal vom Sockel stoßen und es gleichzeitig im Sturz auffangen zu wollen. Eine fast gelungene Leistung des Magazins.


Natürlich werden auch Fragen gestellt. An einem Papst, der stinknormal ist, muss der grübelnde Journalist verzweifeln. Keine Leichen im Schrank, kein Verständnis für Prunk und rote Schühchen. Dazu noch Jesuit, mit besonderer Hinneigung zum armen Volk. Wo bleibt da die Blutleere, die Steifheit, die Unberührbarkeit? Das Trockene am heiligen Amt? Franziskus scheint zu leben wie ein ganz normaler Zeitgenosse. Die Nagelprobe hat er jedoch noch nicht bestanden. Was machen wir mit all den Fragen, die sich in der Unbeweglichkeit von Jahrhunderten aufgehäuft haben: Was machen wir mit dem Geld? Dürfen wir Verhütungsmittel benutzen? Wie streng sind wir zu den Kinderschändern, auch zu denen in der Kirche? Homosexuelle? Igittigitt! Lesben? Igittigitt! Geschiedene Katholiken? Exkommuniziert. Wie weit lassen wir die Frauen in unsere priesterliche  Abgeschlossenheit hinein? Als Priesterinnen? Nicht dran zu denken, obwohl der Allmächtige so etwas wie Gleichheit zwischen den Geschlechtern angeregt hatte.

All das kann natürlich nicht auf einmal geändert werden. Aber wer mit beiden Beinen auf dieser unserer Erde steht, kann sich doch nicht blind stellen, wenn die Realität anklopft. Verknöcherte Sturheit, im Namen einer auf ewig angelegten Theologie: kann das der liebe Gott gemeint haben? Der Spiegel nennt es geistliche Versteinerung. Wir sind Menschen. Bei Realitätsverlust werden wir oft mit dem Tode bestraft. Im Vatikan scheint es zu rumoren, weil Franziskus nicht weiterzumachen scheint wie bisher. Was wollen die 1,3 Milliarden Katholiken, die nicht gefragt werden? Auf alle Fälle etwas anderes als die Kurie mit ihren alten Knaben, denen die männliche Jungfräulichkeit wie eine Fama aus alten Zeiten vorauseilt.


Als junger Mensch habe ich mehrere priesterliche Freunde gehabt. Einer hat es zum Bischof gebracht. Für einen Studenten damals ein geistig-geistliches Erwachen mit viel Lebensfreude. Jeder von ihnen hat im Stillen gegen die vatikanische Unbeweglichkeit aufgemuckt. Treue Priester bis an ihr Lebensende, auf die die Kirche hätte hören können. Sie tat es nicht. Die Veränderungen seit einem Menschenleben? Null Punkte, würde der Europäische Gesangswettbewerb dekretieren. Das ist auf die Dauer zu wenig. Also, Du sympathischer, unberechenbarer, südamerikanischer Pontifex Maximus, es ist Zeit, den Dampfer zu entstauben und in eine andere Richtung zu lenken. Aber, pass auf Dich auf!






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