Freitag, 24. Oktober 2014

Die Kaffeetanten sind noch nicht ausgerottet!

Der schöne Duft! Morgens, wenn Oma in die Küche ging, fing es an zu duften. Es musste die große Kaffeekanne sein. Sie heizte die Kanne zunächst mit kochendem Wasser vor. Dann setzte sie ein Porzellanfilter auf. Maß mit Vorbedacht die Portionen ab. Ehrfürchtig und genießerisch häufte sie den Kaffee in den papiernen Behälter und goss das Kochwasser darüber. Langsam sickerte es in die gewärmte Kanne. Oma hatte die Tassen schon gerichtet. Als Kind durfte ich Kaffee zwar riechen,  aber das Trinken war den Erwachsenen vorbehalten. Ich bekam den unbequemen Muckefuck, mit viel Milch und Zucker. Kein Wunder, dass ich erwachsen sein wollte, um endlich das einzige Getränk verkosten zu können, das Oma so schmeckte. Ihre Augen glänzten fröhlich. Sie schien gerüstet für den Tag.

Viele Jahre später stieß ich auf den caffè italiano, den die Italiener Espresso nennen. Auch nicht schlecht, kann jedoch leicht bitterliche Züge annehmen. Das hindert die Bewohner des stiefelähnlichen Landes nicht daran, mit einem guten Schuss Verachtung auf unser teutonisches Getränk herab zu schauen. Da kann man nur erwiedern: so geht es nicht. Espresso ist nicht alles im Leben, und auch die Italos haben ihn ursprünglich von den Osmanen. Verbürgt ist auch, dass Frau Melitta Benz, eine Deutsche, 1908, den Filterkaffee erfunden hat. Eine Pionierin ohne Nobelpreis.

 Nichts gegen Tee!

Hätte ich mich bloß nicht darauf eingelassen, etwas über Kaffee schreiben zu wollen. Ein echtes Wespennest! Nicht wegen Italien, wo es ohnehin nur eine Sorte Kaffee gibt. Stimmt doch, oder? Was mich anmacht, ist ein "büyük Türk kahve, orta": ein großer türkischer, mittelgesüßter Kaffee, in einem Kupferkännchen. Dies hat nichts mit dem in der Moka-Kanne hergestellten Kaffee zu tun, der überwiegend in Frankreich, Spanien, Italien und von Studenten gebrüht wird. Einem Metallbehälter, der im unteren Teil Wasser, im oberen Leere enthält. Wenn der Behälter zugeschraubt ist, das Wasser kocht, dampft es durch ein Metallfilter in den oberen Bereich. Fertig ist der Kaffee. Das Wespennest besteht darin, dass unterschiedliche Kaffeesorten (Arabica, Robusta etc) in den Anbaugebieten in 50 verschiedenen Ländern produziert werden wobei die unterschiedliche Art der Röstung eine
erhebliche, und die unterschiedliche Art der Zubereitung eine ausschlaggebende Rolle spielen.
Ich habe mich entschlossen, nichts über die Kaffee-Pads zu sagen, eine Art moderne Version der Pest, ohne, dass es bisher deshalb zu Todesfällen gekommen wäre. Wer jedoch die Zukunft erforschen möchte, kann mit Kaffee die Orakeltechnik weiter entwickeln. Sie besteht darin, ihn in der Tasse mit 95° heißem Wasser zu übergießen und zu warten, bis der Kaffee getrunken ist. Der sichtbare Kaffeesatz gibt dann genug Stoff für die Interpretation der eigenen Zukunft her.

Wer etwas über Kaffee sagen möchte, außer, dass dieser entweder schmeckt, oder eine ungenießbare
Brühe ist, muss auch die gesundheitlichen Aspekte zu Rate ziehen. Kann ich darauf gut schlafen? Hilft er mir als Antidepressivum? Verbessert er meine Konzentrationsfähigkeit? Oder ist das alles kalter Kaffee? Skandalös ist, dass der Ertrag aus dem Verkauf von Kaffee nur zu knapp 5% an diejenigen geht, die in den Kaffeeplantagen arbeiten müssen. Dafür kann dann in Finnland (=Weltspitze) ein Mensch täglich 3,6 Tassen davon trinken, in Deutschland knapp 2,5 Tassen.


Kommen wir zu meinem Freund Carlos: er ist der einzige, der aufgrund seiner Welterfahrung für mich eine Autorität im Kaffeezelebrieren darstellt. Isländische Nationalität, Eltern Lateinamerikanisch-Deutsch, als Pastor gerade aus Frankreich in die Schweiz abgewandert. Ich sehe ihn wie er den Kaffee zubereitet, der dann auch besonders gut schmeckt. Doch ohne ein mildes Lächeln, ob solchen Eifers, geht das nicht, denn er würde ums Verrecken nicht verraten, welchen Kaffee er benutzt, was sein Geheimnis ist. Die Zeremonie ist übrigens Teil des Genusses, ganz wie bei meiner Oma, die allerdings zum Kaffee immer automatisch das Wort "und Kuchen" hinzu gefügt hatte.
Carlos (hallo, wie geht es Dir?), er hat uns noch nicht in Wien besucht, der Stadt, wo alles zusammenkommt: Fast 20 verschiedene Arten des Kaffeemachens, hunderte von Kaffeehäusern, und hochkalibrige Kuchengebilde, die als Kalorienbomben Unheil anrichten. Ein Armenier soll 1685 das erste Kaffeehaus in Wien eröffnet haben. Gleich nach der 2. Belagerung Wiens, die 1683 siegreich zuende ging.

Die Hauptstadt des Kaffees.
Seither besteht der Wiener Kaffee aus viel Zeit zum Sitzen bei einer Zeitung, mit einem Glas Wasser und vielleicht einem Pianisten, der nostalgische Melodien klimpert. Viel schöner als das Social Catering in Seattle (USA), das unter dem Namen "Kaffeeklatsch" auch noch Zimtschnecken anbietet. Amerika ist eben Amerika.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen