Sonntag, 1. Juni 2014

Wiener G'schichten - das Glockenspiel

Man erwarte jetzt nicht, dass ich eine Hasstirade gegen das sonn- und sonsttägliche Geläute von Kirchenglocken lostrete. Glockenverteidiger würden sofort zurückschlagen. Die poetische Fassung dieser Geräuschquelle ist mir allerdings lieber, und ich werde auch gerne sagen, warum. Also, das Glockenspiel, weiß Gott, wer das erfunden hat, trifft den Nagel auf den Kopf: es muss gespielt werden, obwohl ich mich nicht wundern würde, wenn es auch auf Knopfdruck spielen würde, elektrisch sozusagen. Und es klingt nett. Friedrich Schiller, nicht der von der Schillerlocke, sondern der, der die Glocke gedichtet hat, also die Schillerglocke, wusste, warum er dem Guss der Glocke so viel Aufmerksamkeit schenkte (heute muss die Glocke werden). Die Glocke ist ein akustisches Signal, das weit hinaus in die Lande verkünden soll, dass etwas los ist. Nichts anderes macht der Muezzin, wenn er vom Minarett herunter die Gläubigen aufruft. Heute meist auch elektrisch, und, warum nicht, mitten in der Nacht? Als es noch keine Uhren gab, musste zum Kirchgang geläutet werden. Und als es keine Feuermelder gab, war der Glockenalarm lebensnotwendig.


Wir kennen das, wenn wir irgendwo in Europa aufgewachsen sind. In den USA, die mir aus vielen anderen Gründen verdächtig sind, hört man kaum Glockengeläute. Höchstens in der Nähe der neugotischen St. Patrick's Kathedrale, die mitten in New York steht, wo es auf den Lärm sowieso nicht mehr ankommt. Es gibt auch Menschen, die sich etwas Verständnis für das Geläute erhalten haben, trotz der Tatsache, dass sie sonntags nicht in die Kirche gerufen werden wollen, und weil sie von der Arbeit total erschöpft darnieder liegen. Andere arbeiten die ganze Woche in der Nähe von Maschinen und können am Sonntag dann nur noch Stille ertragen. Hochzeits- und Totenglocken einmal außen vor gelassen. Wobei mich besonders aufregt, dass heiratende Horden mit Autogehupe durch die Straßen drängeln müssen, um aller Welt zu verkünden, dass die spätere Trennung des Paares in aller Stille stattfinden wird. Das hat mit Hochzeitsgeläute nichts mehr zu tun.


Schillers Glocke steht meines Wissens heute nicht mehr auf dem Lehrplan. Wir Kleinen mussten die endlosen Verse noch auswendig lernen: "Frisch gemauert in der Erden steht die Form aus Ton gebrannt. Heute muss die Glocke werden...." Das war ein gutes Gedächtnistraining. Meine Glocke hängt oben im Stephansdom. Daneben gibt es noch jede Menge anderer Glocken, die mit dieser freundschaftlich verbunden sind. Wenn sie alle gleichzeitig loslegen, und das geschieht oft, hört man nicht einmal mehr die Polizeisirenen. Warum ich manchmal verzagt gen Himmel blicke? Und nicht immer beim Gebimmel nicke? Weil ich so nahe am Stephansdom wohne, dass mich das Geläute in Angst und Schrecken versetzt. Kann man das nicht ändern?????







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