Dienstag, 29. April 2014

Aufgepasst! NSA is only an appetizer

Bevor ich darauf zu sprechen komme, muss ich eine Episode in meinem Leben preisgeben. Aber keine Angst: das Internet kennt das alles schon. Als es noch keine Mobiltelefone gab, bewarb ich mich heimlich von Paris aus um eine neue Stelle in Frankreich. Für den Tag meiner schriftlichen Bewerbung, die ich geheimhalten wollte, hatte ich mich krank gemeldet. Meine Bewerbung war erfolgreich, jedoch wusste der Personalchef meiner Arbeitsstelle sofort von dieser Bewerbung, weil beide Personalabteilungen brüderlich zusammengearbeitet hatten. Das hatte mit Spionage noch nicht viel zu tun.

Heute sind fast 3 Milliarden Menschen im Internet zugange, von denen die meisten eine gängige Sprache, wie Englisch, Russisch, Deutsch, Französisch, Chinesisch oder Spanisch verstehen. Als leidenschaftlicher Blogger, der seine Muttersprache liebt, aber auch mit anderen Sprachen zurechtkommt, äußere ich mich meist auf Deutsch. Zu meiner Freude habe ich immer wieder Leser aus etwa 30 verschiedenen Ländern. Dazu gehören Deutschland, Österreich, die USA, Frankreich, Großbritannien, die Schweiz und Russland, aber auch mal Indien, Israel, China oder Algerien. Wenn ich also ein Blog um 10 Uhr vormittags mitteleuropäischer Zeit ins Internet schicke, kann ich normalerweise erst gegen Nachmittag mit amerikanischen oder kanadischen Lesern rechnen, denn 10 Uhr morgens ist in den USA vermutlich zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens. Meine normalen Leser, so will ich mal annehmen, schlafen da noch.


Um herauszufinden, ob etwa die NSA oder ähnliche Internetabschöpfer meine Blogs systematisch abrufen, muss ich also bei denen morgens um 2 oder 3 Uhr ankommen. Wenn dann meine Statistik sagt: ein Klick aus USA, und das, bei mehreren Blogs hintereinander, und mit Schlüsselwörtern wie NSA, USA, Spionage im Titel, dann bin ich inzwischen überzeugt, abgeschöpft zu werden. Wenn ich das Experiment mit den entsprechenden Zeiten mit Israel, Indien, Russland, oder ähnlich  aufschlussreichen Schlüsselwörtern im Titel mache, und diese Länder sofort (und nur einmalig) als Leser auftauchen, stehen die Chancen gut, dass auch sie über ähnliche Abschöpfmethoden verfügen. Für manche Länder geht es natürlich nicht, denn in England oder Frankreich kann es sich lediglich um schlaflose Fans von mir handeln, wenn um 3 Uhr morgens gelesen wird, denn ich gehe doch nicht um 3 Uhr Ortszeit ins Internet. Muss ich jetzt annehmen, ich sei hysterisch? Leide ich unter Verfolgungswahn? Darauf kann ich nur antworten, dass ich ein relativ furchtloser Mensch bin.


Bei einem Weltkongress über die Vorhersagen George Orwells, der im Jahr 1984 in Straßburg stattfand, und für den ich einen Dokumentarfilm mit Interviews drehte, zeigte ich einen Botschafter aus Skandinavien, der total überzeugt ausrief: "In this part of the World" - ich übersetze - "zum Glück können wir sagen (1984), dass Orwells Prophezeihungen in diesem Teil der Welt nicht eingetretetn sind". Ich hoffe, dass dieser diplomatische Futurist, der wohl damals an die Sowjetunion und ihre Gulags gedacht haben muss, noch am Leben ist, um die überwältigenden Spionagemöglichkeiten des Internets selbst kennen zu lernen. Am Ende dieses Films sagte ich damals schon: "Schön und gut, aber: Big Brother is watching you". Heute weiß das Netz, ob wir zum Frühstück ein gekochtes Ei oder Croissants essen, ob wir neben der Partnerin noch weitere Gespielinnen am Laufen haben, und ob wir der katholischen Kirche gewogen sind oder vielleicht selbst pädophile Neigungen haben. Und vieles mehr. Wir müssen dagegen ankämpfen, sonst bereuen wir unsere phlegmatische Großzügigkeit. Was NSA tut, ist nur die bürokratische Spitze eines Eisbergs, der uns allmählich eiskalt erstarren lässt.*

* Nachtrag: der Blog ging kurz vor 11Uhr MEZ ins Netz. Sofort hatte ich zwei Klicks aus USA, sozusagen, mitten in der US-Nacht.




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