Donnerstag, 20. März 2014

Wiener G'schichten - Radieschenesser

Es ist so eine Sache mit den Blähungen. Schaut man im englischen Wörterbuch nach, heißt es lakonisch "flatulence" oder, die germanische Version, die viel anschaulicher ist: "wind". Diese Winde entstehen, wenn man Radieschen isst. Engländer sagen zu Radieschen "radish". Was heißt dann Rettich? Auch radish. Das sagt viel über dieses flatulente Gemüse aus, das wohl kaum ein Gemüse ist und entweder klein und rund oder schwarz, weiß und rot und bis zu einem Meter lang werden kann. Aber, was ist es dann? Der Rettich fördert die Verdauung. Er ist ein völlig unterschätztes Wurzelgemüse, das viel Vitamin C enthält und die Gallensekretion anregt. Die Erbauer der ägyptischen Pyramiden erhielten deshalb regelmäßig Rettiche, Zwiebeln und Knoblauch. 


Auf dem Markt am Reumannplatz erhält man das ganze Jahr über Radieschen, 2 Bund um einen €. Während man in Bayern einen Radi mit Bier essen kann, liebt man im süddeutschen Baden das Radieschen mit einem Stück Brot und viel Butter. So habe ich es immer geliebt. Ich bin ein bekennender Radieschenesser und schäme mich deswegen ein wenig. In Wien gibt es diese roten Kügelchen, die nur mit einer Dosis Salz richtig schmecken, in jedem Supermarkt. Dort dienen sie als Lockvogelangebot und Appetitmacher. Dabei spielen diese hochroten Wasserbeutel gastronomisch so gut wie keine Rolle. Allenfalls als Beilage zum Salatteller.

Man fragt sich, wieso das Radieschen, das auch im Preis ein wenig variieren kann, das ganze Jahr hindurch eine Art heimliches Mitbringsel darstellt, für das keine Werbung gemacht wird. Industrielle Mengen davon müssen im Umlauf sein. Dabei hört man nie von Freilandradieschen oder Bioradeisern. Warum? Bevor ich das Zeitliche segne, möchte ich es noch herausfinden. Oder, stimmt mit den Radieschen etwas nicht? Muss davor gewarnt werden? Es fehlt offensichtlich noch eine Diplomarbeit zum Thema: Flatulenz, die Geschichte der Blähungen. Oder: Achtung, Radieschen können Winde verursachen! Noch fehlen die Beweise. Und die Radieschen treiben weiterhin ihr Unwesen, vor allem, wenn man sie von unten betrachtet.

Scharfer Rettich?

Ein "scharfer Rettich" war mal der Geheimtip unter jungen Männern für das, was zu anderen Zeiten ein steiler Zahn genannt wurde, oder Wuchtbrumme, oder flotte Biene. Dabei ging es nur darum, zu verschleiern, dass der Rettich eine Unmenge an Senföl enthält. Wie dem auch sei: ich esse fast jeden Tag Radieschen, jetzt, wo man das Zeug das ganze Jahr über kaufen kann. Gerne würde ich radieschenverschlingende Mitesser kennenlernen. Vielleicht, um die erste Radi-Selbsthilfe-Gruppe zu gründen, or, should we say: Radish-Club?







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