Große Siedlungen der Menschheit sind beide: unmüßig, zu fragen, welche Metropole die ältere ist. Beide haben Völkergemische angezogen und wieder ausgespuckt. Beide sind Horte des kulturellen Lebens, beide versüßen den Aufenthalt mit raffinierten zuckerbäckerischen Höchstleistungen. Lokum und Baklava hier, Krapfen und Mozartkugel dort. Doch ist dies zu kurz gesprungen. Beide haben unendlich viel mehr zu bieten, auch an Schleckereien.
Kommen wir zur Musik: Istanbul ist voller Schreihälse. Ich meine jedoch diese orientalische Sehnsucht nach Liebe, nach der Liebsten, dem Geliebten, Ausdruck einsamen Schmerzes. Wien ist voller Klassiker. Schon sehr früh am Morgen beginnt die Flut instrumentaler Höchstleistungen. Und ein vergoldeter Walzerkönig steht mitten im Stadtpark. Morgenland versus Abendland. Dazwischen Mitteleuropa. Impulse in der Türkei kommen meist aus Istanbul, das nicht (mehr) die Hauptstadt der Türkei ist.
Wien kann für Österreich und die westliche Welt Ähnliches von sich behaupten. Vielleicht wurde deshalb das Osmanische Reich von Mitteleuropa angezogen, wo man den Kaffee noch nicht kannte. Und auch die Wasserpfeife nicht. Dafür aber Wein und Bier. Istanbul hingegen war näher an den exotischen Gewürzen und dem endlosen asiatischen Raum. Man könnte die Vergleiche ins Unendliche fortsetzen.
Wenn ich am Posphorus sitze, und zahllose Schiffe, große und kleine, an mir vorbeiziehen sehe, denke ich auch an das ferne Wien, wo wir wohnen, an die Donau, so blau. Dann verbinde ich mich in Gedanken mit dem Trubel am Stephansdom. Ich lasse dann ein Schiffchen die Donau hinunter ins Schwarze Meer, und, siehe da, es taucht hier bei mir auf, zieht durch das Marmarameer am Topkapi und der Hagia Sophia vorbei, und setzt seine Fahrt bis nach Triest fort, das auch einmal zum österreichischen Reich gehörte. Wie klein doch die Welt ist!
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