Mittwoch, 17. April 2013

Hallo, David Hamilton, du bist 80!

Was lese ich da: du bist heute 80 Jahre alt? Wie die Zeit vergeht. Der Herr des Weichzeichners, wie er genannt wird, hat seine Werke millionenfach und weltweit verkauft. Ich begegnete seinen Postkarten zum erstenmal in Paris. Überall wurden sie zum Kauf angeboten. Stilisierte, verschleierte, ästhetisch aufgemachte junge Mädchen, meist, waren da zu sehen. Ich hätte so etwas nie gekauft. Mir erschien Hamiltons Fotografie nicht ganz ehrlich.


Dann, in den Achtziger Jahren, war ich nach einer Bandscheibenoperation in Straßburg für 6 Wochen ans Bett gefesselt und langweilte mich. Die Rettung kam von einem Freund, der mich besuchte und mir einige Bildbände von David Hamilton brachte, französisch und englisch im Original. Er verlegte alle Arten von Fotokunst in Deutschland und hatte sich vorgenommen, auch Hamilton zu verlegen. Natürich sagte ich zu, diese Bildbände ins Deutsche zu übersetzen, zumal der Text nur aus den  jeweiligen Legenden zu den Fotos bestand.

Schnell merkte ich, dass die Originale etwas schwulstig, die Fotos etwas lasziv waren. Kitschige Pornos? Pornografischer Kitsch? Nicht ganz so schlimm, dachte ich, eher ein wenig in der Mitte. Und für mich, den genesenden Übersetzer, eine faszinierende Herausforderung, denn: Erstens bin ich kein Übersetzer. Zweitens habe ich eine ganz hohe Meinung von guten Übersetzungen, und schlechte gibt es in Hülle. Drittens, musste die Übersetzung eine gute Übersetzung des erotisierenden Stils dieser Bände sein. Kitsch hätte ich mir nie zugetraut. Ich brauchte ziehmlich lange für die deutsche Fassung, die gloreich abgeschlossen und publiziert wurde.


Von David Hamilton erhielt ich eines Tages eine Widmung mit Dank. Der Weichzeichner hat mit seiner fotografischen "Offenheit" wohl auch Anstoß erregt. Doch, was sind heute noch halbnackte junge Mädchen, wenn diese sogar in Schaufenstern zu sehen sind? David lebte mit seiner Mona zusammen, die seine Leidenschaft für "Unverhülltes" zu teilen schien. Die Gefahren für Mädchen liegen heute woanders: wir kennen sie, und können uns als Männer nicht erlauben, wegzusehen, wenn wir von Übergriffen hören oder erfahren. Nacktheit ist es nicht. Es ist die Grenzüberschreitung. Jetzt ist Hamilton 80. Ich gehe am Stephansplatz in Wien in einen Buchladen, frage eine junge Verkäuferin nach einem Bildband von David Hamilton. "Hamilton? Da muss ich nachsehen" "Nicht nötig", sage ich. "Das ist wohl Schnee von gestern". Und Hamilton ist jetzt 80.



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