Donnerstag, 10. Januar 2013

Die Überfahrt mit der Pride of York

Die Wetterankündigung beim Verschiffen unseres Autos am Hafen von Seebrügge war unauffällig: keine Stürme bei der Überfahrt in den britischen Norden zu befürchten. Entsprechend zahm wogte die Fähre auf und ab, die ganze Nacht. Unser Seereiseritual beginnt mit dem Anziehen der Handbremse im Laderaum, dem Erhalt des Schlüssels für die Kabine, schneller Entledigung des Handgepäcks und der Winterkleidung, und mit dem Gang an die noch verwaiste Bar. Kaum jemand nimmt um diese Zeit schon einen doppelten GinTonic. Wir setzen uns in die Lounge und hören dem freundlichen Geklimpere des Pianisten zu.

Die Pride of York von innen

Sobald der Hunger sich meldet geht es an das Büffet, wo man uns einen Tisch zuweist. Die Flasche Rioja ist für uns beide auf der Pride of York schon zum Standard geworden. Trotz leichter Erschöpftheit nach einer langen Autoanfahrt schaffen wir die Flasche ohne Mühe. Der endlose Korridor führt uns dann zurück in die Kabine, wo das leise Schaukeln uns in den Schlaf wiegt.

Das Frühstück fällt etwas hektisch aus, da jeder rechtzeitig am Auto oder am Bus sein möchte, wenn die Fähre ihr Gatter öffnet. Wir sind in Hull und müssen uns beide an das Fahren auf der "falschen" Seite schnell wieder gewöhnen. Die Weihnachtsbeleuchtungen sind noch am Blinzeln und Schillern. Doch ihre Buntheit will sich gegen den morgendlichen Grauschleier nicht durchsetzen. Wir fahren quer durchs Yorkshire Land, wo wir Cathies Eltern und Brüder besuchen wollen. Hat sich in diesem Land seit einem Jahr etwas verändert? Ja, die Olympischen Spiele in London haben offensichtlich freudige Spuren hinterlassen. Man spricht gerne darüber.

Der Aufschrei der Möwe

Uns fällt auf, dass die Straßen auf dem Lande noch voller geworden sind, die Kurven noch enger, die Schlaglöcher noch zahlreicher. An vielen Häusern steht: "To let" oder "Sale". Ist das viel besprochene Nord-Süd-Gefälle etwa in ein Süd-Nord-Gefälle umgeschlagen? Zuerst Griechenland, Portugal, Spanien, jetzt England, Irland, Belgien? In Belgien werden Straßen auch nur noch spärlich instand gesetzt. Oft sieht man als erstes den sich häufenden Müll, wenn man durch einen Ort fährt. Ist dies ein Zeichen wachsender Verarmung der Kommunen und des Staates? Eine Folge der Finanzkrise? Auch auf der Fähre kam es mir so vor, als würden die Menschen weniger kaufen, weniger trinken, weniger lachen. Ich hoffe, dass ich mich gründlich täusche.











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