Donnerstag, 8. Dezember 2011

Nordic Walking zu den Nacktstränden





Wer kennt sie nicht, die leicht übergewichtigen, mittelalterlichen, stöckeschwingenden Walkerinnen (Walkürinnen???). Ein Paradebeispiel der Emanzipation, denn sie nehmen auch ihre Ehemänner und Boyfriends mit. Auch diese schwingen dann Stäbe mit Rutschhemmung, wegen der zuweilen auftretenden Unwegsamkeit. Am Anfang musste man noch 90 € für diese Stöcke hinlegen. Nordic Walking ist im übrigen äußerst gesund. Es gibt natürlich auch Lehrgänge, die das richtige Walken vermitteln. Nordic Walking Coaching wird das genannt.

Wir blättern zurück: 1864 wurde der Schwarzwaldverein gegründet. Die Romantik hat den Bürger und den Arbeiter gar bald rote Wollstrümpfe als Wadenwärmer tragen und mit wachen Augen in die Natur hinaus stapfen lassen. Sport wurde als Körperertüchtigung empfunden, Natur als schön und schützenswert. „Das Wandern ist des Müllers Lust“ wurde gesungen, sicherlich auch mal gegrölt, wenn die Lust überhand nahm. 

Dann wurde es ernst: die Jugend wollte da mitmachen, eigene Bewegungsfreiräume schaffen. Sie gründete 1901 in Berlin-Steglitz den Verein des Wandervogels. Auch die Freikörperkultur ließ dann nicht mehr lange auf sich warten. Igittigitt, nackte Menschen in freier Natur. Nudisten sozusagen. Wer hat da nicht heimtückisch mit pubertär-sündigen Blicken den wabbelnden Busen der Volleyball spielenden Strandschönheiten nachgeschaut? Bis dann der Gewöhnungseffekt eingetreten war. Das Netz an der Mittellinie durfte übrigens für Frauen die 2,24 m nicht überschreiten, während bei Männern die Höhe von 2,43 erlaubt war. Aber auch das wurde an den Nacktstränden nicht so genau genommen. Allerdings möchte man angesichts der Reinheit und Unbefangenheit dieser Bewegung nicht von Sodom und Gomorrha sprechen. Schon deshalb nicht, weil Nordic Walking angeblich aus Finnland kommt (daher der englische Ausdruck) und die hierfür passenden Kleidungsstücke käuflich zu erwerben sind: das Nordic Walking Outfit.  Es wäre natürlich zuckersüß, wenn das National Movement for the Revival of the German Language wenigstens zugeben würde, dass Wandern eine urdeutsche Erfindung ist.

So walken wir ganz unverdrossen in die Natur hinein. Die roten Wadenstrümpfe hat Opa noch mit ins Grab genommen. Das Outfit ist also up to date. Und die Wanderwege wurden noch nicht umbenannt, wohl, deshalb, weil die Wanderkarten immer noch die alten Wege ausweisen, wie wir sie gekannt haben, als die nordische Gangart noch auf die einsamen Landstriche Finnlands beschränkt war. Jetzt wird gewalkt, und wenn wir nach Hause kommen, sind wir total durchgewalkt.

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