Freitag, 15. April 2011

Der Tod der Fliege

Man sagt uns ja vieles nach, aber irgendwann ist Schluss damit. Meine Mutter sagte immer: “fliege anständig und gehe deinen Feinden aus dem Weg“. Jetzt ist es gesagt: ich bin eine von über 50 000 bekannten Fliegenarten. Ich könnte sogar eine Stubenfliege sein. Meine Zeit ist begrenzt. Manche nennen mich, bösartig wie sie sind, Eintagsfliege. Dabei hat noch keiner von denen dagesessen und die Tage mitgezählt. Dafür fehlt ihnen die Geduld. Um es kurz zu machen: wir leben nicht lange. Mehr will ich dazu nicht sagen.
Wenn ich etwas nicht ausstehen kann, dann sind es Verwechslungen, wie etwa die mit dem Floh, der ein gemeiner, blutsaugender Parasit ist, auf Menschen oder Tieren herumsitzt und gefährliche Krankheiten überträgt. Konnte man uns je nachweisen, wir hätten Fleckfieber oder gar die Pest übertragen? Der flügellose Floh mit seinen langen Hinterbeinen, ist so klein, dass manche Menschen ihre Kinder als solche bezeichnen. „Komm‘, setz‘ dich hin, mein Floh“ und so weiter. Andererseits sind wir Fliegen gegen solche Schmähungen gewappnet. „Er fällt um wie eine Fliege“ sagt man gerne auch einem Politiker nach, der den Mund zu voll genommen hat. Natürlich kann es auch passieren, dass einer beim Einatmen aus Versehen eine Fliege verschluckt. Aber hier sind die Verantwortlichkeiten ja wohl geklärt.
Unsere Feinde, um das mal krass auszudrücken, sind die Vögel, die gefüllte Badewanne und die Fliegenklatsche. Vor allem die Schwalben machen Jagd auf uns. Sollte einer so geschicklich sein, eine von uns einzufangen, mit der Hand, es gehört große Übung dazu, dann werden wir oft auf eine Wasserfläche geschleudert und sind so benommen, dass es nicht mehr für den Aufstieg reicht: Exitus. Die Klatsche hingegen ist ein Mordinstrument, das nicht einmal den religiös erzogenen Menschler zurückschrecken lässt. Brutal wird geklatscht. Weg ist die Fliege. Manche behaupten, sie könnten sieben auf einen Streich erledigen. Selbstüberschätzung war immer schon deren Problem. Von wegen, keiner Fliege etwas leid tun zu können, ein echtes Ammenmärchen!

Gut, wir ernähren uns teils von pflanzlichen, teils von tierischen Substanzen und schmarotzen auch ganz gerne mal, aber wir verstehen uns als Teil des Universums und haben die gleichen Rechte wie Elefanten, von denen man weiß, dass sie ungeheuer groß sind und gelegentlich eine Maus gebären, nicht unbedingt in einem Porzellanladen. Was ich sagen will, ist folgendes: ein Insekt ist auch nur ein Mensch, auch wenn wir es mit unserer geschichtlichen Entwicklung nicht so genau nehmen. Wir haben nie Völker und Nationen gegründet und auch nie etwas erobert, es sei denn, einen Kuhfladen oder eine ausweglose Fensterscheibe. Dann essen wir uns satt und brausen wie die Dummen herum, irritieren die Menschheit und machen dann die Fliege.

Man kann das Ganze auch locker sehen: wir wissen nicht wer wir sind, nicht woher wir kommen und auch nicht wohin wir gehen. Ein Schöpfer? Dann kann es lediglich der sein, der alles andere geschaffen hat. Eine Existenz? So weit würde ich nicht gehen. Gibt es eine Fliegenkultur? Nie davon gehört. Wo ist der Unterschied zwischen Fliege und Fliegenschiss? Ich kenne keinen. Hinterlassen wir irgendwelche Spuren? Außer dem Fliegenschiss ist mir nichts bekannt. Die Menschen, das sind die mit der Klatsche, bilden sich ein, Spuren zu hinterlassen. Dann stehen sie in Geschichtsbüchern und lassen sich von Historikern beschreiben, bewundern, bejammern und wieder vergessen. Wenn sie uns wegklatschen, hegen sie oft Mordgefühle, oder sie tun nur ihre Pflicht, wie einst Adolf Eichmann. Zumindest hatte er das dem israelischen Gericht gesagt, bevor er 1962 hingerichtet wurde. Eine Schmeißfliege, sozusagen. Und nicht da gestorben, wo er geboren wurde, wie sich das bei Fliegen so gehört. Wir Fliegen kommen nicht weit. Wie lange wir leben, wenn man das Leben nennen kann, wissen wir nicht. Aber wir sind Milliarden und Abermilliarden. Und wir scheißen auf alles.

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