Freitag, 28. September 2018

Die Engländerin.

Cathie, die mich vor Jahren in einem Anfall historischer Ver2flung geheiratet haben muss, ist immer noch Engländerin. Ihr Deutsch und Französisch ist über jeden 2fel erhaben, und ihr Russisch geistert in meinem strapazierten Gehirn wie das unglaubwürdige Wabern eines Herbstwindes herum. Putin hätte sein helles Vergnügen damit, wenn er wüsste, was russofone Britinnen alles so loszaubern können.




Doch ein russofoner Russe ist gewöhnlich mit anderen Dingen beschäftigt. Genau wie die Holländer, oder die Badener, die immer dann ausrasten, wenn sie Badenser genannt werden. Einen Württemberger nennt man ja auch nicht einfach nur Schwabe. Wobei die unterschwellig gegnerischen Ethnien zwischen Stuttgart und Karlsruhe/Mannheim ihre Verwandtschaft kaum leugnen können. Doch wer möchte gerne der Vetter von einem Cousin sein?

Auch Adolf Hitler hat seine Finger vom British Empire gelassen. Lieber hat er sie sich anderswo verbrannt. Dem gebürtigen Österreicher gelang schließlich der Zugriff auf das Deutsche Reich, was schon in sprachlicher Hinsicht leichter war, als es mit Estland zu versuchen. Das etwas rollende "R" des Führers hätte ja auch mühelos auf Mussolinis Italo Rambo-Zambo gepasst. Doch die Helden der Geschichte verpassen oft das Wesentliche.


Der drohende Brexit lässt Cath erschauern. Nicht, dass sie die deutsche Bratwurst in Bausch und Bogen ablehnen würde, nein, als mit einem Deutschen verheiratete Britin, der süddeutsches Blut in seinen Adern fließen lässt, muss sie auch für anderes gewappnet sein: Linzertorte, wie Mama sie gemacht hat. Die Badische Dampfnudel, ein gastronomisches Bauwerk von ungeahnten Ausmaßen, oft mit einer aus Dörrobst liebevoll umgebenen Soße von der hinreissenden Art. Leider am Aussterben, wie es scheint.




Es sei denn, die schätzungsweise 150.000 Engländer in unserer geliebten bundesrepublikanischen Schmankerlhochburg beschlössen, bei uns zu verbleiben und - soweit noch unverheiratet - alleinstehende Hobbygermanen zu ehelichen. Dann könnte sich die über 90jährige Monarchin Elisabeth, die Zweite, einen gestrichenen Teil ihrer Wurzeln wieder einverleiben. Mir persönlich reicht jedoch eine einzige Engländerin um glücklich zu sein.


Man muss das Unmögliche wenigstens versuchen.

Seit Tagen ist das Wetter kein Wetter mehr, sondern es ist einfach schön. Auch Cath, meine liebevoll angeheiratete Engländerin, wettermäßig eigentlich am ewig absteigenden Ast nordischen Wetters festgezurrt, findet, dass das Wetter eine Dauereinrichtung geworden ist. Wo bleibt die Entrüstung über unbotmäßiges Geregne? Das Windgeheul? Das Schneegestöber? Der auf seinem Weg dahertrödelnde Möchtegernherbst?


Nur wohlwollende Sprüche scheint es fürs Wetter zu geben. Temperaturen zwischen 27 und 32 Grad, wohlgemerkt, Celsius. An Wollhandschuhe ist nicht zu denken. Wer will denn im Herbst noch nach Italien? Sieh, der Sommer liegt so nah! Wer erst vor kurzem geboren wurde, hat noch nie einen Winter gesehen. Geschweige denn spiegelglattes Eis auf den Straßen.

So ändern sich die Zeiten. Neuerdings werden sogar Videos mit Schneestürmen als Abendunterhaltung angeboten. Dabei werden auch Strommasten gekonnt umgelegt. Vor allem Kinder lieben diese Horrorszenen, bei denen auch schon mal ein schnuckeliger Nikolaus durch die Lüfte fliegt, natürlich unter Zurücklassung der vielen adrett verpackten Geschenke für die Kleinen.


Es weihnachtet auf jeden Fall sehr. Die Geschenkeindustrie produziert ja schon lange Osterhasen, die wie kleine Tannen aussehen. Ein kleiner Griff, und aus dem Hasen wird ein Knecht Ruprecht. Der etwas ältliche Geruch wird sanft übersprüht, und schon duftet der Nikolaus nach Zimtsternen. Welches Kind flattert da nicht mit den Nasenflügelchen.

Mami, ich kann nicht mehr warten. Wann ist endlich Weihnachten? Dass mir keiner auf die Idee kommt, zu meckern, sollte das Schneetreiben anhalten. 10 Jahre hat es nicht mehr so richtig gestürmt.  Werd endlich wieder zum Wetter, Wetter! Wozu haben wir die Gummisachen von der Oma? Aber nein, 30 bis 32 Grad. Bei Männern kommt noch hinzu, dass die Produktion von Spermien sich um 30% vermindert, wenn die Unterwäsche, genauer gesagt, der Slip, zu eng anliegt.

Oder, soll man den Dingen einfach ihren Lauf lassen? Man muss das Unmögliche wenigstens versuchen.


Samstag, 15. September 2018

Eine Brezel, zäh wie Hosenleder...

Was habe ich heute sonst noch alles falsch gemacht? Ich zerre an der Brezel, lade Butter auf mein Gezerre, und nehme die Tasse in die Hand, in der sich mein Kaffee befindet. Sie ist die einzige im ganzen Haus, die ohne Henkel existiert. Dafür ist sie blütenweiß. Völlig unnötig.

Es geht um ein einsames Frühstück. Doch früh ist es nicht mehr. Ich muss meine Pillen nehmen. Cath hat sie mir in das kleine silberne Döschen gelegt, das ich von einer heute 90jährigen türkischen Freundin vor x Jahren geschenkt bekam. Damit ist das Silberdöschen noch lange nicht abgehakt. Ich nahm es zu allen Reisen mit. Es ist die Insel in meinem chaotischen Lebensgewässer.

Das Döschen
Neulich, als ich mein Silberzeug polierte, was für ein Reinigungserlebnis (zum erstenmal!), nahm ich mir auch das Döschen vor. Es ist nicht größer als ein Zweieurostück und glänzt wie nie zuvor. Eigentlich sollte ich mich schämen. Aber, das kann ich jetzt nicht. Vor allem, wenn ich an diesen Trump denke, der durch einen Akt kollektiven Schwachsinnes jetzt ein Land führt, das  es nicht verdient hat.

Döschen von innen
Der ist sicher stolz auf seinen Erfolg. Dabei hat er wohl noch nie eine frische Brezel gegessen, dieser Hallodri. Die besten gab es früher auf dem Bahnsteig des Mannheimer Bahnhofes. Diese Brezel-Ehrung war schon lange fällig. Kinder trugen sie früher wie eine Trophäe in der Hand und bissen hinein, als hätten sie drei Wochen lang nichts zu essen bekommen.

Das Hohelied der Laugenbrezel mit Salz, oder der Salzbrezel mit Lauge ist vielleicht noch nicht gesungen. Woran kann das liegen? Weil  die Brezel heute auch nicht mehr das ist, was sie einmal war? Auch das Leder meiner alten Krachledernen, auf die ich immer so stolz war (nocheinmal herzlichen Dank, liebe Mutter), ist brüchig geworden. Es gehörte ein lederner Hosenträger dazu, auf dessen Brustverziehrung ein elfenbeinener Hirsch mit Geweih prangte.

Andererseits war ich immer sicher, dass eine Laugenbrezel ein gewisses Maß  an Zähigkeit aufweisen muss, denn von knusprigen Brezeln habe ich noch nie etwas gehört. Die Neujahrsbrezel ist dagegen eine mütterliche Sonderfertigung, ohne Lauge. Sie kann riesengroß sein (nicht die Mutter, Du Trottel!) und wird gewöhnlich genussvoll in den Kaffee getunkt. Was für ein Vergnügen!*

*aus politischen Gründen wird hier auf eine Abbildung der Brezel verzichtet.